InterviewTierärztin und Buchautorin – Schroll liegt die Verhaltensmedizin der Katze am Herzen

Im Interview erzählt die Expertin Sabine Schroll über Verhaltensstörungen bei der Katze und ihrem Wunsch, die Verhaltensmedizin ganz natürlich in die alltägliche Praxis zu integrieren.

Sabine Schroll sitzt mit einer Kamera in der Hand und einer Katze auf der Schulter in der Natur.
Sabine Schroll
Sabine Schroll ist Tierärztin und Autorin. Sie hat sich auf die Verhaltens- und Katzenmedizin spezialisiert.

Ihr Buch erfreut sich seit vielen Jahren großer Beliebtheit. Warum ist Ihrer Meinung nach die Katze als Patient in der Kleintierpraxis immer ein Thema?

Die Katze ist ein sehr beliebtes Haustier und die Zahlen immer noch im Zunehmen. Quadratisch, praktisch, klein lassen sich Katzen auch gut in der Wohnung halten. Allerdings ist genau das auch der Grund, warum der Beratungsbedarf steigt, weil sich einerseits nicht alle Katzen unkompliziert indoor halten lassen und andererseits sehr viel mehr Wissen rund um die Bedürfnisse der Katze nötig ist – denn in der Wohnung können sich Katzen nichts verbessern, sie sind auf den Menschen angewiesen.

Warum ist die Verbindung zwischen Allgemeinmedizin und Verhaltensmedizin bei der Katze besonders wichtig?

Die Schnittstelle zwischen körperlichen und psychischen Problemen ist sehr ausgeprägt und letztlich sind es immer Veränderungen des Verhaltens, die Fragen aufwerfen oder Anlass zur Sorge geben. Leider haben Katzen nicht so viele Möglichkeiten ihre Probleme auszudrücken und es kommt schnell zu Missverständnissen. Körperliche Probleme führen früher oder später auch zu psychischem Unwohlsein und umgekehrt ist chronische emotionale Belastung oft ein Faktor für körperliche Erkrankungen. Behandeln sollte man immer alle Ebenen ganzheitlich.

Sind sich Katze und Mensch in puncto Verhaltensstörungen ähnlich? 

Jein. Grundsätzlich ähneln sich natürlich die psychopathologischen Mechanismen wie Deprivation oder Sensibilisierung. Aber die Katze zeigt natürlich Verhaltensweisen aus ihrem arteigenen Repertoire, die sich von dem des Menschen unterscheiden und sie hat leider kaum Möglichkeiten ihren Leidensdruck direkt zu kommunizieren. Und das ist die Herausforderung der Verhaltensmedizin, diese Symptome dann richtig einzuordnen.

Wie erreicht man die bestmögliche (und bei der Verhaltensmedizin unerlässliche) Mitarbeit der Besitzer?

Ich finde es immer gut, die Besitzer in eine Metaposition mitzunehmen und die ganze Situation zu überblicken anstatt nur in der betroffenen Mitspielerposition zu bleiben. In der Beratung ist es wichtig, ein Mediator und auch Dolmetscher für die Bedürfnisse der Katze zu sein und auf dem Weg Verständnis und Empathie zu generieren. Wenn die Beziehungsfraktur einmal stabilisiert ist, kann sie heilen und das Zusammenleben wieder harmonisch werden.

Haben Sie in Ihrer Praxis auch nicht-therapierbare Verhaltensstörungen erlebt? 

Ja. Manchmal sind die Störungen so tiefgreifend und strukturell, dass sie nicht therapiert werden können. Auch die Gesamtheit der Umstände und Lebensbedingungen sind manchmal so limitiert, dass die Lösungen zwar offenkundig sind, aber mit dieser Katze und diesem Kontext nicht anwendbar sind.

Was liegt Ihnen bei diesem Buch besonders am Herzen?

Dass es dazu beiträgt, die Verhaltensmedizin ganz selbstverständlich in die alltägliche Praxis zu integrieren – vom katzenfreundlichen Umgang über banale Verhaltensprobleme wie Unsauberkeit bis zu schwerwiegenden psychischen Störungen. Bei jeder Diagnostik und Therapie sollte die psychische Verfassung immer mit berücksichtigt werden.

Verhaltensmedizin bei der Katze

Die 4. Auflage der "Verhaltensmedizin bei der Katze" von Sabine Schroll und Joel Dehasse erhalten Sie im Thieme-Webshop. Auch im VetCenter ist das Buch verfügbar.