InterviewWie Drohnen bei der Wildtierrettung helfen können

Im Frühsommer beginnt die Heumahd, die für Rehkitze lebensbedrohlich sein kann. Hubschrauber- und Drohnenpilot Alexander Mohr erklärt, wie Drohnen zum Schutz der Wildtiere eingesetzt werden können.

Aufnahme von Alexander Mohr mit einem Rehkitz auf dem Arm.
Copterpro GmbH
Alexander Mohr bietet mit seinem Team einen umfassenden Drohnen-Service für die Wildtierrettung an.

Jedes Jahr stellt die Heumahd eine tödliche Gefahr für zahlreiche Rehkitze in Deutschland dar. Die jungen Tiere, versteckt im hohen Gras der Felder, bleiben aus Instinkt regungslos liegen, wenn Gefahr droht, was sie für Landwirte nahezu unsichtbar macht. Die tragischen Folgen sind nicht nur zahlreiche verletzte oder getötete Rehkitze, sondern auch eine Kontamination des Futters, das später an Nutztiere verfüttert wird. 

"Früher wurden Wärmebilddrohnen hauptsächlich im militärischen Bereich eingesetzt, heute retten sie Tierleben. Sie erlauben es uns, die Felder effizient und präzise nach verborgenen Rehkitzen abzusuchen, bevor die Mähmaschinen zum Einsatz kommen. Hinzu kommt, dass die Drohnen seit kurzem finanziell gefördert werden", erklärt Alexander Mohr. Als Berufspilot für Hubschrauber kam Alexander Mohr schon frühzeitig mit dem Thema Drohnen in Berührung, betreibt heute einen Shop für gewerbliche Drohnen. In diesem Interview erklärt er, wie Drohnen bei der Wildtierrettung eingesetzt werden können und was es zu beachten gilt. 

Alexander Mohr, herzlich willkommen! Wie sieht die Situation in Deutschland im Zeitraum der Heumahd aus, welche Probleme gibt es?

Die Ricken legen Kitze in den Wiesen ab, um sie vor natürlichen Feinden zu schützen. Zur gleichen Zeit fällt die Mahd an und der Landwirt benötigt Futter für seine Tiere. Der Landwirt steht in der Verantwortung, die Wiesen vor der Mahd abzusuchen, um dem Tierschutzgesetz gerecht zu werden. Da dies nur ein kleiner Zeitraum ist, müssen viele Wiesen gleichzeitig abgesucht werden und man benötigt eine große Flächenleistung. Durch Wärmebilddrohnen schaffen wir es, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Denn wir können 40 ha pro Stunde abfliegen, um Kitze zu finden und aus den Wiesen zu tragen. Zwar gibt es auch andere Maßnahmen neben Drohnen, zum Beispiel das Aufstellen von Scheuchen und Blinklichtern. Doch diese Methoden bieten keinen wirklichen Schutz und die Kitze liegen teilweise einen Meter neben den Scheuchen. Die Drohne ist die einzige und nahezu 100-prozentig erfolgreiche Methode, dem Mähtod vorzubeugen. 

Wie viele unentdeckte Wildtiere und Rekkitze verenden in den Feldern?

Laut Statistiken sind es über 100.000 Kitze und Jungtiere pro Jahr. 

Lassen sich die dazugehörigen Kollateralschäden wie kontaminiertes Futter oder Schäden an Landmaschinen beziffern?

Fleischreste und Rückstände verwester Tiere sorgen für eine Krankheit namens Botulismus. Sie wird durch das Bakterium Clostridium botulinum verursacht, welches ein Neurotoxin produziert. Das kann Tiere und Menschen gefährden. Wenn das Bakterium ins Futter gelangt, besteht eine erhebliche Gefahr. Nutztiere und Pferde reagieren sehr sensibel und können an kontaminiertem Futter verenden. Meist verbreitet sich das Bakterium, einmal ins Futter gelangt, sehr schnell, sodass man meist viel Futtermittel entsorgen muss. 

Ein weiteres Problem sind die Schäden an Landmaschinen. Wenn Tiere verenden und ihre Überreste in landwirtschaftliche Maschinen geraten, können auch diese kontaminiert werden. Das betrifft insbesondere Maschinen zur Futterverarbeitung und -verteilung. Die Reinigung und Desinfektion der Maschinen sind notwendig, um die Ausbreitung des Bakteriums zu verhindern, was jedoch Zeit und Geld kostet. Die Kontamination kann sogar zu Schäden an der Maschine führen. 

Gehören Drohnen zur Zukunft der Landwirtschaft? 

Definitiv, denn Drohnen revolutionieren nicht nur die Kitzrettung, sondern auch das Ausbringen von Dünger, Zwischensaat und vielem mehr. Durch Streu- und Sprühdrohnen hat man die Möglichkeit, ohne Bodenverdichtung Dünger und Saatgut auszubringen. Multispektraldrohnen sorgen für die Erfassung von Nährwerten in den Böden. Diese Daten können in moderne Spritzen und Maschinen übertragen werden und das Spritz-/Streubild anpassen. So wird deutlich effektiver bewirtschaftet. 

Kann jeder einfach eine geeignete Drohne käuflich erwerben und landwirtschaftlich nutzen?

Grundsätzlich ja! Allerdings ist der Kauf einer Drohne an gewisse Bedingungen geknüpft. Der Einsatz von Drohnen in der Landwirtschaft unterliegt rechtlichen Regelungen, die je nach Land und Region variieren können. In vielen Fällen ist eine Genehmigung erforderlich, um Drohnen gewerblich zu nutzen. Man erhält sie meist von nationalen Luftfahrtbehörden und muss sich an Vorschriften halten, wie beispielsweise Flugverbotszonen, maximale Flughöhen und die Pflicht, sich als Betreiber zu registrieren. Außerdem muss man zur Nutzung einen Drohnenführerschein machen. 

Was kostet so ein „Einsteigermodell“ und was sind die maximal zu erwartenden Kosten?

Eine Wärmebilddrohne zur Rehkitzrettung startet bei ca. 6500 bis 7000 Euro. Bei Agrardrohnen liegt man im höheren fünfstelligen Bereich. Hier gibt es jedoch Fördermittel, die die Anschaffung von landwirtschaftlich genutzten Drohnen unterstützen.


Benötigt man eine spezielle Ausbildung zum Drohnenflug?

Es ist ein Drohnenführerschein notwendig. Der Führerschein umfasst theoretische und praktische Prüfungen, bei denen unter anderem Kenntnisse in Luftrecht, Meteorologie, Flugplanung und Sicherheitsmaßnahmen abgefragt werden. Ich würde jedem außerdem ans Herz legen, eine gute Schulung zu machen, die wichtige Grundlagen vermittelt und auch beim praktischen Einsatz Hilfestellungen gibt. Nur dann kommt es zu einem erfolgreichen Einsatz! 

Gibt es sonstige rechtliche Vorgaben?

Man benötigt für jede Drohne eine Haftpflichtversicherung, die Schäden gegenüber Dritten abdeckt. Ebenfalls müssen für spezielle Bereiche Genehmigungen eingeholt werden. Das betrifft zum Beispiel Flüge in der Nähe von sensiblen Zonen wie Flughäfen, militärischen Einrichtungen, Naturschutzgebieten und dicht besiedelten Wohngebieten. 

Können Landwirte grundsätzlich zu dieser Technik greifen oder sind nur spezielle Gebiete bzw. Landwirtschaftsbranchen betroffen?

Die Landwirtschaft ist bereits im Wandel. In den nächsten Jahren sollten alle Landwirte häufiger auf Automatisierung setzen. Dazu zählen auch digitale Innovationen wie Drohnen. Die aktuellen Techniken zeigen, wie effektiv sie in speziellen Anwendungsbereichen bereits einsetzbar sind. Das wird in Zukunft zunehmen und alle Landwirte entlasten. 

Welche anderen Anwendungsgebiete für diese Drohnen gibt es noch in der Landwirtschaft?

Es gibt einige Möglichkeiten, Drohnen in der Landwirtschaft einzusetzen. Sprühdrohnen dienen hauptsächlich zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln. Streudrohnen sind ideal für die Verteilung von Saatgut und Granulatdüngern. Daneben können Landwirte auch Multispektraldrohnen nutzen. Diese sind mit Kameras ausgestattet, die Bilder in verschiedenen Wellenlängenbereichen aufnehmen können. Die Bilder ermöglichen eine Analyse der Pflanzenvitalität und des Gesundheitszustands der Kulturen. So können Landwirte frühzeitig erkennen, ob ein bestimmter Nährstoffmangel oder etwa Schädlingsbefall besteht. Darüber hinaus gibt es Drohnen zur Kartierung, die hochauflösende Luftbilder und 3D-Modelle von landwirtschaftlichen Flächen erstellen. Drohnen, die in der Wildschadensvermessung Einsatz finden, helfen dabei, die zerstörten Flächen durch Tiere zu finden und zu dokumentieren. 

Wird es irgendwann autonome Systeme geben?

Die gibt es bereits. Alle Drohnen, die sich aktuell für die Landwirtschaft eignen, fliegen bereits autonom. Man hat die Möglichkeit, die Flächen vor zu planen und automatisiert abfliegen zu lassen. Hier haben die Drohnen schon eine solch ausgereifte Technik, dass sie das Höhenprofil ausgleichen und sich an den Untergrund anpassen. 

Über Alexander Mohr

Alexander Mohr ist Geschäftsführer der Copterpro GmbH. Mit seinem Team bietet er einen umfassenden Service rund um den Drohneneinsatz an – von der Beratung über den Kauf bis hin zur Wartung und Reparatur. Interessierte können an der Academy der Copterpro GmbH an Schulungen teilzunehmen und per Online-Kurs den großen Drohneführerschein absolvieren. Der gelernte Hubschrauberpilot kennt den Luftraum seit Langem; als passionierter Jäger setzt er sich außerdem für den Drohneneinsatz in Jagdgebieten ein.