IntoxikationenGefahr im Herbst: Pilzintoxikationen bei Hunden

Die Herbstzeit nutzen viele zum Pilze sammeln. Doch wie für uns gilt auch für Hunde: Nicht alle Pilze sind genießbar!

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Ein Australian Shepherd liegt im Wald auf grünem Moos neben einem Pilz.
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Beim Hund stellen Pilze mit dem Toxin Amanitin die häufigste Ursache für tödlich verlaufende Pilzintoxikationen dar.

Gerade im Herbst die Pilze aus dem Boden. Viele von ihnen sind giftig und können bei Hunden zu einer schweren Intoxikation führen. Welche Pilze sind das genau und welche Symptome lösen sie aus?

Giftige Pilze – eine Übersicht

Etwa 14 % aller Vergiftungsfälle beim Hund in Deutschland sind auf Pflanzen und Pilze zurückzuführen [1], [2] und in den Jahren 2012–2014 verliefen 25,7 % dieser Fälle tödlich [1]. 

Oft ist es sehr schwierig die Art des aufgenommenen Pilzes zu bestätigen, da sich viele Menschen nicht ausreichend mit ihnen auskennen. Daher finden Sie im Folgenden eine Auflistung der wichtigsten Pilzgifte, die alle auf unterschiedliche Weise wirken. 

Das gefährlichste Toxin „Amanitin“

Beim Hund stellen Pilze mit dem Toxin Amanitin die häufigste Ursache für tödlich verlaufende Pilzintoxikationen dar [3]. In der Literatur gibt es mehrere Fallberichte über Vergiftungen bei Hunden, die aufgrund anamnestischer Angaben und klinischer Befunde als Pilzintoxikation diagnostiziert wurden [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10]. In den meisten dieser Fälle wurde die Intoxikation auf Pilze der Gattung Amanita zurückgeführt, wobei die Vergiftung mit einer Ausnahme tödlich verlief [6]. 

  • Toxin: Amanitin
  • Symptome: Zunächst gastrointestinale Störungen mit wässriger oder hämorrhagischer Diarrhö, dann Erbrechen und Exsikkose und schließlich Leber- und Nierenversagen mit erhöhten Leberenzymwerten, Ikterus, Hypoglykämie, Koagulopathie, Blutungen, Azotämie und metabolischer Azidose [3], [10].
  • Besonderheit: Durch den durch Amanitin verursachten multiphasischen Krankheitsverlauf treten die Symptome erst 6-24 Stunden nach der Giftaufnahme auf (Latenzphase). Die Intoxikation endet schließlich nach circa 72-96 Stunden in der hepatorenalen Phase.
  • Beispiele: Pilze der Gattung Galerina, Lepiota und Amanita (z.B. A.phalloides [Abb. 1] oder A. virosa [Abb. 2], auch Todesengel genannt)

Fallbericht

Lesen Sie hier einen Fallbericht eines 4 Jahre alten Husky-Mischlings, welcher vermutlich einen Pilz der Gattung Amanita gefressen hat.

 Akutes Leberversagen bei einem Hund n... - VetCenter, Thieme

SLUDE-Symptome durch Muscarin

Pilze mit dem Toxin Muscarin lösen neben neurologischen Symptomen auch die sogenannten SLUDGE-Symptome aus. Die einzelnen Buchstaben stehen hierbei für: Speichelfluss (engl. salivation), Tränenfluss (engl. lacrimation), Urinieren (engl. urination), Durchfall (engl. diarrhea) und Erbrechen/ Emesis bzw. allgemein für Magen-Darm-Beschwerden.

  • Beispiele: Pilze der Gattung Inocybe spp. [Abb. 3] und Clitocybe dealbata [Abb. 4]

Muscimol & Ibotensäure: Variable Symptomatik

Pilze die Muscimol und Ibotensäure enthalten, können nach einer Latenzzeit von etwa 30 Minuten bis 2 Stunden unterschiedliche Symptome auslösen. Da Ibotensäure als Antagonist am glutaminergen Rezeptor angreift und Muscimol als GABA-Agonist wirkt, manifestiert sich eine Vergiftung mit diesen Toxinen vor allem in ZNS-Symtomen. Dazu gehören unter anderem:

  • Apathie, Somnolenz und Halluzinationen

Die exzitatorischen Symptome sind Myklonien und Konvulsionen.

In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben bezüglich des Ausgangs einer Intoxikation mit Muscimol und Ibotensäure. So beschrieb Peterson & Talcott 2001 sowohl einen Fall eines Cairn Terriers (männlich, 4 Jahre alt, 6.4 kg), welcher an den Folgen der Intoxikation starb, als auch einen weiteren Fall bei dem der Hund trotz regelmäßiger Fliegen- und Pantherpilz-Aufnahme lediglich eine Desorientierung zeigte.

  • Beispiele: Pilze wie A.muscaria (besser bekannt als Fliegenpilz) [Abb. 5] und A. pantherina [Abb. 6]

Achtung stark giftig – Gyromitrin

Das Gift der Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta) [Abb. 7] ist sehr giftig, und der Begriff ‚esculenta‘ – also ‚essbar‘ – somit leider irreführend. Gyromitrin ist ein wasserlösliches Zellgift welches nach einer Latenzzeit von 4-24 Stunden folgende Symptome auslösen kann:

  • In der Regel: Nausea, Kolik, Vomitus, evtl. wässrige Diarrhoe
  • Bei schwerer Verlaufsform: Hämolyse, Ikterus, Anurie, Organblutungen, Kreislaufversagen, Niereninsuffizienz

 Im Allgemeinen klingen die Symptome nach 2-5 Tagen wieder ab. Allerdings kann das Abbauprodukt von Gyromitrin zu einer chronischen Vergiftung führen mit Keratitis, Pharyngitis, chronischer Bronchitis, Vomitus, Krämpfen und Ikterus.

Nicht immer Lebensgefahr

Neben den eben genannten sehr giftigen Pilzen gibt es auch einige Arten die weniger gravierende Symptome auslösen. So führen einige lediglich zu Magen-Darm-Reizungen und sind selten lebensbedrohlich. Die Symptome klingen nach 1-2 Tagen schließlich wieder ab. Dazu gehören unter anderem Pilze der Gattung Entoloma [Abb. 8]. 

Auch halluzinogene Pilze wie Gymnopilus spp. [Abb. 9] oder Psilocybe spp. [Abb. 10] sind in der Regel nicht tödlich. Allerdings wurden Symptome wie Ataxie, abnormales Verhalten, Heulen, Nystagmus oder Hyperthermie beschrieben, nachdem Hunde diese Art Pilze aufgenommen haben.

Therapie

Prinzipiell sollten alle Pilzvergiftungen behandelt werden, da Pilze wie schon erwähnt nicht immer leicht zu identifizieren sind und man somit nie ausschließen kann, dass es sich um eine sehr toxische Art handelt. Aus diesem Grund umfasst eine Behandlung einer Pilzintixikation in der Regel folgende Punkte:

  1. Primäre Giftentfernung
    - ggf. Erbrechen lassen
    - Magenspülung + Aktivkohle + Glaubersalz
  2. Antidot (wenn vorhanden)
  3. Symptomatische Therapie

Fazit 

Von dem „Todesengel“ über den Fliegenpilz bis zur Frühjahrslorchel – es sind zwar nicht alle Pilze gleich giftig, dennoch können viele von ihnen zu schweren Intoxikationen führen. Sobald also der Verdacht besteht, dass ein Hund Pilze gefressen hat, sollte sofort gehandelt und die nächstgelegene Tierarztpraxis aufgesucht werden. 

Im Idealfall nimmt man dabei ein Stück des aufgenommenen Pilzes mit (falls möglich) oder macht ein Foto von ihm. So kann in der Tierarztpraxis gegebenenfalls die Art bestimmt und eine passende Therapie eingeleitet werden.

Tipps

Auch der eigene Garten sollte regelmäßig nach Pilzen abgesucht werden, sodass diese rechtzeitig entfernt werden können.

Quellen (nach Angaben von):

Pilztoxikose bei Hunden VETgirl Veterinary CE Blog
Bunte Blätter, dunkle Wege: 7 Sicherheitstipps für Hunde im Herbst - Agria Tierversicherung
Runft S, Mischke R, Hoppe S et al. Akutes Leberversagen bei einem Hund nach Aufnahme eines Pilzes, vermutlich der Gattung AmanitaTierärztliche Praxis Ausgabe K: Kleintiere / Heimtiere 2021; 49(05): 382 - 389. doi:10.1055/a-1584-6098
CliniTox Pflanzengifte: Amanita muscaria
CliniTox Pflanzengifte: Gyromitra esculenta

(JD)

  1. McFarland SE, Mischke RH, Hopster-Iversen C. et al. Systematic account of animal poisonings in Germany, 2012–2015. Vet Rec 2017; 180: 327Open PubMed
  2. Allkamper S, Kosters S, Campe A. et al. Vergiftungsverdachtsfälle in der Kleintierpraxis – eine retrospektive und prospektive Erfassung. Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 2018; 46: 145-155Open PubMed
  3. Cope RB. Mushroom poisoning in dogs. Vet Med 2007; 102: 95-100
  4. Bernard MA. Mushroom poisoning in a dog. Can Vet J 1979; 20: 82-83
  5. Liggett AD, Weiss R. Liver necrosis caused by mushroom poisoning in dogs. J Vet Diagn Invest 1989; 1: 267-269Open PubMed
  6. Yam P, Helfer S, Watling R. Mushroom poisoning in a dog. Vet Rec 1993; 133: 24
  7. Naude TW, Berry WL. Suspected poisoning of puppies by the mushroom Amanita pantherina. J S Afr Vet Assoc 1997; 68: 154-158
  8. Cole FM. A puppy death and Amanita phalloides. Aust Vet J 1993; 70: 271-272
  9. Tegzes JH, Puschner B. Amanita mushroom poisoning: efficacy of aggressive treatment of two dogs. Vet Hum Toxicol 2002; 44: 96-99
  10. Puschner B, Rose HH, Filigenzi MS. Diagnosis of Amanita toxicosis in a dog with acute hepatic necrosis. J Vet Diagn Invest 2007; 19: 312-317