
Der Hitze-Check 2025 der Deutschen Umwelthilfe hat es dokumentiert: Städte mit vielen versiegelten Flächen und wenig Schatten spendenden Stadtgrün werden schnell zu gefährlichen Hitzeinseln. Deshalb fordert die Organisation mehr Bäume und Grünanlagen anstelle von Beton und Asphalt [1]. Aus demselben Grund und um die biologische Vielfalt zu fördern, sollten nicht nur die Stadtplanungsbüros, sondern auch Bauherrinnen und -herren von vornherein lebendiges Grün und Lebensräume einplanen und mitdenken.
Biologische Vielfalt spielt (noch) keine Rolle
Der Landschaftsarchitekt Prof. Thomas E. Hauck und der Ökologe Prof. Wolfgang W. Weisser von Animal-Aided-Design (AAD) wollen genau das: die Einbeziehung von wild lebenden Tieren in die Stadtentwicklung. Derzeit, so die beiden Professoren, spielt die biologische Vielfalt eher keine Rolle in der aktuellen Stadtplanung. Da bei den Planern kaum entsprechende Kenntnisse bestehen, wird bei der Gestaltung von Gebäuden und Grünflächen den Bedürfnissen von wild lebenden Tieren kaum Rechnung getragen, was zur Reduktion der Biodiversität führt [2]. Gleiches gilt für Sanierungsmaßnahmen, die oft Nistplätze und Unterschlupfe vernichten.
Wild lebende Tiere von Anfang an mit einbeziehen
Hauck und Weisser wollen Tiere als integralen Bestandteil mit in den Planungsprozess einbeziehen – von Anfang an. Sie verstehen ihre Methode als Grundlage für Neuplanungen, aber auch Sanierungen, für die Gebäude- und die Grünflächenoptimierung gleichermaßen. Sie eignet sich für die kleinräumige Umgestaltung genauso wie für die Planung weitläufiger Grünanlagen [2]. Auch für den Neu- oder Umbau von Tierarztpraxen und -kliniken ist die AAD-Methode daher interessant. Sie kann ein besseres Lebensumfeld und eine grünere Infrastruktur schaffen, was auch unser Arbeitsumfeld sowie das für unsere Patienten und deren Besitzer positiv beeinflusst.
Alles beginnt mit der optimalen Planung
Ein Bau- oder Sanierungs-/Optimierungsverfahren, so die Wissenschaftler, setzt immer mit der ersten Planungsphase an. Hier werden die Zieltierarten gewählt, die bereits am Standort vorhanden sind oder oder für die dieser geeignet ist. Die Planung soll also auch zur Ansiedelung neuer Arten beitragen und Artenvielfalt fördern [2].
Entscheidend sind genaue Kenntnisse zur Zieltierart und ihren Ansprüchen: Wie gestaltet sich ihr Lebenszyklus? Welche Bedürfnisse hat sie bezüglich ihres Habitats, der Ernährung und Fortpflanzung? Auch die kritischen Standortfaktoren (wie Habitatsansprüche) spielen für die Machbarkeit eine zentrale Rolle. Genau deshalb werden sie bei AAD methodisch aufbereitet und für die Planung zur Verfügung gestellt [3]: Umweltfaktoren, wie das Klima oder bestimmte Pflanzenarten, die eine Population für ihren Fortbestand braucht. Zusätzlich sind Aspekte wie die Verschmutzung durch Ansiedlung der Zieltierarten mit einzubeziehen, die ein Zusammenleben mit dem Menschen beeinträchtigen könnten [2, 3]. Ziel muss es sein, dass durch die Durchführung von Maßnahmen für bestimmte Zielarten (z.B. das Anlegen einer blütenreichen Wiese) auch viele andere Arten profitieren und nachziehen [3].
Die Bauphase – nicht ohne Aufsicht
In der zweiten Phase, der Bauphase, wird der Entwurf auf der Baustelle umgesetzt. Hierbei, so raten die beiden Professoren, ist es wichtig, dem Projekt eine ökologische Bauaufsicht zur Seite zu stellen, um zu gewährleisten, dass die gewünschten Maßnahmen korrekt umgesetzt werden.
Langfristiges Monitoring
Darüber hinaus empfiehlt sich, so fügen beide Wissenschaftler an, nach Abschluss des Projekts ein entsprechendes Monitoring, um zu überprüfen, ob sich die Zieltierart tatsächlich angesiedelt und erfolgreich vermehrt hat oder ob Nachbesserungsbedarf besteht. Hauck und Weisser raten dazu, das Monitoring über mehrere Jahre hinweg umzusetzen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es, Artenportraits künftig zu verfeinern und die ergriffenen Maßnahmen ggf. zu optimieren.
AAD als iterativer Prozess
Die beiden Experten stellen klar, dass ihre AAD-Methode keinesfalls den klassischen Naturschutz ersetzt; allerdings wird dieser maßgeblich unterstützt, und das Vorgehen trägt dazu bei, unsere Städte insgesamt klimasicherer zu machen. Dabei muss, so Hauck und Weisser weiter, uns jedoch klar sein, dass nicht jede Umgestaltung auf Anhieb gleich funktioniert: Wie gut das Angebot letztlich von den Zieltierarten angenommen wird, zeigt sich erst nach der Umsetzung (s. Interview). Gut Ding will also auch hier Weile haben. Ohne unseren Mut, neue Schritte zu wagen und einfach mal zu machen, wird es nicht gehen.
Interview mit dem Landschaftsarchitekten Prof. Hauck – Begründer des Animal-Aided-Designs
Beim Animal-Aided-Design (AAD) stellt die Faktorenanalyse einen wichtigen Baustein dar, wenn das Projekt gelingen soll. Bisher wurde die Methode hauptsächlich im städtischen Bereich für Wohnhäuser und Industriebauten umgesetzt. In einem Interview mit einem der Initiatoren Prof. Thomas Hauck wollten wir erfahren, ob für die Sanierung oder den Neubau von Tierarztpraxen und -kliniken nach der AAD-Methode zusätzliche Anforderungen bestehen.
Herr Prof. Hauck, die Faktorenanalyse muss, um eine nachhaltige Ansiedlung von Flora und Fauna zu erreichen, möglichst genau und gründlich sein. Worauf basiert die Analyse hauptsächlich?
Das stimmt. Im Wesentlichen ist immer entscheidend, wo das Objekt steht, also etwa in welchem Gelände, aber auch mit welchen Bauten ich es zu tun habe und welche Räume existieren. Wichtig ist, sich gleich zu Beginn einen guten Überblick zu verschaffen.
Was würden sich für eine Tierklinik oder -praxis an AAD-Maßnahmen anbieten?
Ganz allgemein denken wir wie bei jedem Projekt ganzheitlich und schauen uns die Potentiale der Gebäude an (Fassaden, Dächer) und die Freiräume an. Gerade die spielen in der Regel die wichtigste Rolle bei der Planung von Maßnahmen, weil hier die höchsten Potentiale für Verbesserung der Vegetation besteht. Vegetation ist überhaupt die zentrale Ressource für Nahrung in den Nahrungsketten. Bei Fassaden und Dächern könnte man an die Ansiedlung von Fledermäusen und Vögeln denken.
Aber gestaltet sich das Ansiedeln dieser Tiere denn nicht gerade auch als Herausforderung, wenn wir an das Infektionsrisiko denken? Fledermäuse etwa gelten als Überträger der Tollwut, Vogelkot kann krankmachende Bakterien enthalten. Wie steht es damit?
Das ist richtig. Seit der Pandemie sind die Menschen gerade was Fledermäuse anbelangt, extrem skeptisch, obwohl das Risiko einer Übertragung als sehr gering gilt. Aber es stimmt schon: Das Risiko muss mit einbezogen werden. Auch das Wissen um ein gewisses Verkotungsrisiko dürfen wir nicht außer Acht lassen. Aber bei vielen Vogelarten ist das Risiko sehr gering, z. B. bei Mauerseglern oder Haussperlingen. Im Stall würden sich z.B. Schwalben besonders gut eignen. Die gehören da letztlich auch hin.
Auch hier geht gerade durch das Verkotungsrisiko jedoch eine Infektionsgefahr für unsere Tiere aus. In den Hygieneleitfäden wird eher darauf hingewiesen, dass eine Besiedlung zu vermeiden (bekämpfen?) ist.
Das sind wichtige Einwände. Wir als Planer sind auf solche Hinweise angewiesen, da wir selbst im Bereich Tiermedizin keine Kenntnisse haben. Wir haben Erfahrungswissen, aber man muss sich das in solch einem sensiblen Bereich noch mal ganz genau ansehen. Hier kommt es auf eine gute Zusammenarbeit an.
Im Fall einer Pferdeklinik etwa hätten wir ein weiteres Problem: Die Rückstandsproblematik von Medikamenten im Mist. Wie wird das mit einkalkuliert?
Auch das sind komplexe, individuelle Zusammenhänge, die wir mit einbeziehen müssen, aber letztlich noch keine Ahnung davon haben. Da wäre die erste Pflicht, Grundlagenforschung zu betreiben.
Die gibt es bereits.
Das ist gut. Das müssten wir dann wiederum speziell in die Planung mit einbeziehen. Aber trotzdem können wir jetzt schon starten: Ich denke, wo es überhaupt kein Problem gibt, ist etwas für Insekten zu tun. Blühwiesen, Stauden, Nistmöglichkeiten sind erste Maßnahmen. Ob es durch Medikamentenrückstände dann letztlich Probleme gibt, müsste man untersuchen. Standard wäre auch, dass man mit Begrünung von Fassaden und Dächern beginnt. Da käme es dann aber auch wieder aufs Detail an. Hierzu müssten zunächst zuallererst Formate geschaffen werden, um Verallgemeinerungen generell für Tierkliniken/praxen entwickeln zu können. Das schließt zunächst die Analyse des Bautyps ein. Denn es ist ja ein Unterschied, ob eine Tierklinik auf dem Land oder in der Stadt steht.
Es wäre wirklich spannend zu wissen, wie schnell die Medikamente abgebaut werden. Trotzdem sollte man sich nicht davon abhalten lassen, Blühwiesen und Hecken neben einer Pferdekoppel zu pflanzen. Es ist ja kein Argument, sondern hilft durch die größere Biomasse, den Eintrag schneller abzubauen. Es wäre das Gleiche, wenn ich keine Ackerstreifen mehr empfehlen würde. Auch wenn diese Pestizid-belastet sind. Sie deshalb nicht anzupflanzen, ist keine Alternative.
Gibt es Beratungsstellen für den Einzelnen, wenn er die AAD-Methode bei sich umsetzen will?
Prinzipiell kann man sich bei den Naturschutzorganisationen (BUND, NABU) informieren. Diese sind lokal organisiert über Regionalgruppen, die sich in der Region auskennen und bieten das regional z.B. an. Es kommt aber darauf an, ob man in der Gruppe jemanden hat, der sich speziell damit auskennt, was aber nicht selten auch der Fall ist.
Wie sieht es mit Fördermöglichkeiten aus?
Die Kommunen und Länder fördern z.B. die Dach- oder Fassadenbegrünung. Für ganzheitliche Programme gibt es derzeit keine Förderungen, diese sind lediglich auf Bauteile bezogen. Auch das Regenwassermanagement wird manchmal gefördert und es gibt hier regional Vorschriften, die verpflichtend umzusetzen sind.
Herr Prof. Hauck, vielen Dank für Ihre Zeit und die Beantwortung unserer Fragen.
- Mehr Natur, weniger Beton - Grüne Städte, jetzt! Deutsche Umwelthilfe. www.duh.de/mitmachen/hitze-check/ Zuletzt aufgerufen am 15.06.2025.
- Hauck TE, Weisser WW. Methode: Einbeziehung von wild lebenden Tieren in die Stadtplanung. Animal Aided Design. animal-aided-design.de/methode/ Zuletzt aufgerufen am 15.06.2025.
- Hauck TE, Weisser WW. AAD – Animal Aided Design. Broschüre zum Download. file:///D:/Daten/Download/AAD_Web_10MB.pdf. Zuletzt aufgerufen am 15.06.2025.


