
Die bei Tieren eingesetzten Arzneimittel werden nach ihrer Aufnahme unterschiedlich stark verstoffwechselt und vom Organismus wieder ausgeschieden. Es ist somit zu befürchten, dass eine Anreicherung der Wirkstoffe oder ihrer Metaboliten in der Umwelt erfolgt. Die Erforschung dieser Problematik steht dabei noch ganz am Anfang. Prof. Wolfgang Bäumer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der FU Berlin gab beim ersten Online-Nachhaltigkeitskongress von VetsforLife e.V. und dem BVVD e.V. einen Überblick über die Situation in der Tiermedizin.
Rückstände von Antibiotika am besten untersucht
Erste Hinweise auf Rückstandsprobleme durch Antibiotika in der Umwelt gibt es seit Beginn der 2000er Jahre. Eine Studie aus Hannover deckte das Problem der Anreicherung an einer Untersuchung von Tetrazyklinen auf güllebehandelten Äckern auf und war Ausgangspunkt für eine intensive Forschung. Dementsprechend liegen über die Medikamentengruppe der Antibiotika am meisten Daten vor.
Unterschiedliche Eintragswege
Ziemlich schnell konnten die Eintragspfade von Medikamenten ermittelt werden: Die unsachgemäße Lagerung und Beseitigung von nicht vollständig entleerten Medikamentenbehältern und nicht verbrauchter Produkte, die Anwendung in der Nutztierhaltung und Behandlung von Haustieren, die Lagerung von Mist und Gülle sowie deren Ausbringung führen zum Eintrag in den Boden. Ihre Anwendung in Aquakulturen sowie die industrielle Herstellung von Medikamenten belasten dagegen vor allem das Wasser. Dabei kann sich die Lagerung von Mist und Gülle auf den Abbau mancher Antibiotika positiv auswirken. Dies ist jedoch nicht bei jedem Wirkstoff möglich.
Produktion stellt Risiko für die Umwelt dar
Gerade bei der Herstellung von Medikamenten spielt der Produktionsort eine große Rolle. Viele Medikamente werden in Schwellenländern produziert und gelangen dort ins Wasser. Vor dem Hintergrund eines sorgsamen Umgangs sollten sich Tierärzt*innen dieser Herkunft bewusst sein und den Einsatz kritisch hinterfragen. Hierbei leistet das Lieferkettengesetz einen wesentlichen Beitrag.
Monitoring reduziert Antibiotikaeinsatz
Das vor ein paar Jahren eingeführte Antibiotika-Monitoring im Nutztierbereich zeigt besonders gut, welche Antibiotika wo in welcher Menge an welche Tierart verabreicht werden. Allein die Visualisierung der verabreichten Menge eines Jahres, aber auch die Anpassung der entsprechenden Leitlinien und der Gesetzgebung haben zu einer Reduktion der Jahresmenge von etwa 1700 t auf 650-700 t Rohsubstanz (überwiegend Penicillin, Tetrazykline, Sulfonamide) geführt. Dennoch kommt die Tiermedizin nicht ohne diese Wirkstoffe aus.
Grundlagenforschung an Tetrazyklinen
Die federführende Studie von Hamscher et al. (2002) aus Hannover zeigte erstmalig auf, dass sich gerade Tetrazykline außerordentlich gut in den oberen Schichten (ca. 30 cm) des Bodens anzureichern vermögen. Dabei kommt es zwar zu einer Undulation, nicht aber zu einer Akkumulation des Wirkstoffs und dennoch zu einer relativ hohen Menge an Tetrazyklinen, die im Boden gefunden wird. Die Gründe hierfür sind noch nicht vollständig verstanden. Wirkstoffe aus der Gruppe der Sulfonamide wurden im Boden eher nicht gefunden.
Aus dem Boden gelangen Tetrazykline und Sulfonamide gleichermaßen in die Pflanzen und können so von Nutztieren aufgenommen werden. Allerdings geschieht dies in nur geringen Mengen, z.T. nahe oder unterhalb der Nachweisgrenze.
Antibiotika sind im Grundwasser nachweisbar
Bei Rückständen gilt mit Ausnahme des Wirkstoffs Chloramphenicol nur selten eine Nulltoleranz. Bei vielen anderen Arzneimitteln macht es daher Sinn, den aus dem Bereich der Lebensmittelsicherheit bekannten Acceptable Daily Intake für jeden einzelnen Wirkstoff zu bestimmen. Dieser lag bei allen untersuchten Wirkstoffen unterhalb der kritischen Menge im Boden.
In einer anderen Studie, die zusammen vom Umweltbundesamt und dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz 2015/16 durchgeführt wurde, wurde der Eintrag von Tierarzneimitteln in das oberflächennahe Grundwasser gemessen. In dieser Studie fanden sich einige Sulfonamide sowie deren verstoffwechselte Metaboliten. Hier stand der Wirkstoff Sulfadimidin im Vordergrund, der besonders bei Wasserproben aus der Nähe von Äckern gefunden werden konnte, sodass die Herkunft aus der Tiermedizin und nicht aus der Humanmedizin herleitbar war. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass Sulfonamide im Grundwasser zu finden sind, eine Konzentration von 100ng/l jedoch nicht überschreiten. Diese Konzentration wird mittlerweile als Schwellenwert angesehen. Ähnliche Untersuchungen an Arzneimitteln aus der Humanmedizin übertrafen diesen Schwellenwert häufiger.
Rückstandproblematik besteht langfristig
Studien aus den Niederlanden in Viehbestandsgebieten erbrachten ähnliche Ergebnisse, wobei hier auch Chloramphenicol-Rückstände gefunden wurden. Eine Erklärung dafür lag in der Tiefe (d.h. in 10-20 m Tiefe) des untersuchten Grundwassers: Je tiefer das untersuchte Wasser lag, desto mehr Rückstände konnten gefunden werden. Scheinbar besitzen Antibiotika eine lange Persistenz und belasten auch folgende Generationen langfristig.
Vielseitige Belastung durch Antibiotikarückstände
Dabei ist nicht ganz klar, worin die Belastung letztlich besteht. Um dies herauszufinden, werden verschiedene, sog. Biologische Anzeiger wie Süßwasseralgen, Wasserfloh oder Zebrabärbling eingesetzt, an denen die Effekte unterschiedlicher Wirkstoffe wie Wachstums- und Reproduktionshemmung oder DNA-Schädigungen untersucht werden können.
Doch auch die Belastung für andere Spezies, etwa den Menschen, wurde in der jüngeren Vergangenheit erforscht. Es wurde die Gefahr von Futtermittelstäuben im Stall, die Antibiotikarückstände enthalten und somit eine Expositionsgefahr für den Menschen darstellen, in den letzten Jahren intensiv untersucht.
Mehr Forschung nötig
Gleichwohl sind andere Daten zum Eintrag von Tierarzneimitteln in die Umwelt erforderlich, denen eine valide Risikoanalyse vorausgehen muss, da viele Antibiotika aus unterschiedlichen natürlichen Quellen aufgenommen werden können. Dabei ist stets zu bedenken, dass Antibiotika nicht gleich Antibiotika sind. Jeder Wirkstoff hat eine andere Affinität zu Boden und Wasser und besitzt eine andere Stabilität in der Umwelt.
Für uns Tierärzt*innen bedeutet das, dass wir sorgsamer mit der Entsorgung von Restbeständen umgehen müssen. Doch auch die Notwendigkeit von Antibiotika in der Therapie muss vor jedem Einsatz kritisch hinterfragt werden und alles für eine Minimierung der Umweltbelastung getan werden. Gerade beim Hund könnte es z.B. gelingen, die Fäzes einzusammeln, um einen Eintrag in die Umwelt zu vermeiden. Hier sind die Aufklärung der Besitzer*innen sowie der generell verantwortungsvolle Umgang mit Arzneimitteln von Seiten der Tierärzteschaft erforderlich.
Literatur bei den Verfassern.


