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Signalement
Art, Rasse: Hund, Labrador-Mix
Geschlecht: männlich
Alter: 2 Jahre und 1 Monat
Gewicht: 27,4kg
Anamnese
Bello ist ein sehr unsicherer, leicht gestresster, junger Hund. Er ist schon seit er 9 Wochen alt ist bei seiner Familie. Er wird regelmäßig geimpft und seine Besitzenden lassen 2 × jährlich ein Parasitenmonitoring durchführen. Seit ca. 16 Monaten wird er mit einem Adult-Futter von einem herkömmlichen Hersteller gefüttert, welches in letzter Zeit nicht gewechselt wurde. Obwohl Labradore im Allgemeinen dazu neigen, beim Spazierengehen Fremdkörper, Toxine und Ähnliches aufzunehmen, tendiert er nicht dazu. Ein Kontakt mit gastrointestinal erkrankten Artgenossen fand in letzter Zeit nicht statt, ebenso wenig wie ein Auslandsaufenthalt. Bello ist im Grunde ein gesunder junger Hund, der keine bekannten Vorerkrankungen hat und auch keine Medikamente einnimmt. Es ist jedoch bekannt, dass er in Stresssituationen immer wieder kurzzeitig mit Durchfall reagiert.
Vor einigen Wochen wurde seine Familie um ein Neugeborenes erweitert und die Küche befindet sich derzeit im Umbau. Sein sonstiger Liegeplatz steht ihm somit momentan nicht zur Verfügung und dieser wechselt zudem ständig. Darüber hinaus kommt noch die Umstellung im Tagesablauf aufgrund des Babys hinzu.
Aufgrund dessen hat Bello seit 3 Wochen eine wechselnde Kotkonsistenz und seit einigen Tagen hellbraunen, wässrig bis breiigen Durchfall mit teilweisem Schleim, ohne Blutbeimengungen, entwickelt. Des Weiteren ist sein Appetit momentan mäßig bis schlecht, jedoch ohne Erbrechen.
Befunde
Am Tag der Vorstellung zeigte er eine geringgradig aufgekrümmte Rückenline und ein gespanntes, schmerzhaftes Abdomen mit mittelgradigem Borborygmus (Darmgeräusche, die durch die Darmperistaltik hervorgerufen werden).
Herz- und Atemfrequenz lagen im physiologischen Bereich und sein Allgemeinbefinden war ungestört. Des Weiteren hatte er keine erhöhte Temperatur und keine Anzeichen einer Dehydratation. Die Schleimhäute hatten eine rosa Färbung und die kapilläre Füllungszeit lag unter 2 Sekunden. Die Lymphknoten waren nicht verdickt.
Sein Trinkverhalten war normal und der Urinabsatz ungestört.
Die rektale Untersuchung der Schleimhäute und der Analdrüsen war unauffällig.
Am selben Tag wurde eine parasitologische Untersuchung einer Sammelkotprobe, inklusive Giardien-Schnelltest durchgeführt, welche negativ ausfiel.
Diagnose
Aufgrund der Anamnese, des Wesens des Hundes und den klinischen Befunden ist von einer stressbedingten Gastroenteritis auszugehen.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch konnte eine Vergiftung, aufgrund des Ausschlusses einer Aufnahme von Fremdkörpern, Toxinen o.Ä. seitens der Besitzenden, sowie des ungestörten Allgemeinbefindens, dem Ausbleiben von neurologischen Symptomen, dem unveränderten Trinkverhalten, der physiologischen Herz- und Atemfrequenz ausgeschlossen werden.
Ebenso sind somit toxische und ernährungsbedingte Ursachen zu vernachlässigen.
Ein parasitologischer Befall wurde aufgrund der durchgeführten Untersuchung ausgeschlossen, ein Infekt durch den fehlenden Kontakt mit einem infizierten Artgenossen.
Aufgrund der akuten Symptomatik in einer Stresssituation und seiner bekannten Vorgeschichte, lassen sich somit auch Stoffwechselerkrankungen, sowie Futtermittelunverträglichkeiten in diesem Falle ausschließen.
Bei einer ständig wiederkehrenden Symptomatik, sollte dennoch eine Blutuntersuchung und eine Eliminationsdiät stattfinden, um dies zusätzlich differenzialdiagnostisch abzuklären. In diesem Fall ist es jedoch vorerst nicht indiziert.
Therapie
Bei einer stressbedingten bzw. psychisch induzierten Durchfallepisode sollten die Grundpfeiler der Stressminimierung und der symptomatischen Behandlung im Vordergrund stehen.
In den ersten Tagen mit akuter Symptomatik sollte vor allem der Durchfall gestoppt werden. Aufgrund der eher milden Symptomatik durch ein ungestörtes Allgemeinbefinden eignet sich hierfür eine pflanzliche Behandlung besonders gut.
Soforttherapie für die ersten 5 Tage:
- Moro‘sche Karottensuppe:
- 2 × täglich körperwarmer Wickel mit Lavendelöl
- 1 × täglich Fenchel-Kümmel-Anis Latwerge
- 3 × täglich 1 DiaTab
- Schonkost im Sinne von gekochtem Hühnchen, Reis und teilweise gekochtem Gemüse
Moro‘sche Karottensuppe
Die Moro‘sche Karottensuppe ist nach dem deutschen Direktor der Kinderklinik Heidelberg Ernst Moro (1874–1951) benannt, welcher damit gute Erfolge bei der Behandlung von Durchfällen bei Kindern erreichte. Später wurde herausgefunden, dass das nach langem Kochen enthaltene Oligogalokturonid die Anheftung pathogener Keime an die Darmschleimhaut verhindert [1].
Zubereitung
500 g geschälte Karotten in einem Liter Wasser 60–90 Minuten kochen [Abb. 1]. Im Anschluss durchsieben und pürieren. Die Gesamtmenge sollte wieder auf einen Liter aufgefüllt und eine Prise Salz zugefügt werden.

Verabreichung
Die Fütterung erfolgt löffelweise über den Tag verteilt. Eine Beimischung zur Schonkost ist möglich.
Moro‘sche Karottensuppe auch bei stressbedingtem Durchfall?
Zwar handelt es sich bei Bello um einen stressbedingten Durchfall, allerdings sorgen die enthaltenen Pektine, der hohe Nährstoffgehalt vor allem an Vitaminen, sowie die Zufuhr der Suppe an sich für eine Rehydratation, die Erhaltung einer gesunden Darmflora und eine Festigung des Stuhls.
Körperwarmer Wickel
Der Wickel besteht in der Regel aus 3 Tüchern, die um den Körper gewickelt werden. Das innere Tuch wird in diesem Fall mit der gewünschten Droge getränkt. Es können Teemischungen, ätherische Öle, Dekokte, Pflanzenbreimischungen oder Tinkturen benutzt werden. Es sollte beachtet werden, dass die Wickel nur auf unverletzte Haut angewendet dürfen und es für die jeweilige Indikation eine maximale Temperatur gibt.
Anwendung
Rezeptur
- 1 Liter heißes Wasser
- 3 Tropfen naturreines, ätherisches Lavendelöl
- 1TL Honig als Emulgator
Das Innentuch – vorzugsweise aus reiner Baumwolle, beispielsweise ein Moltontuch, wird mit der oben genannten Mischung getränkt, ausgewrungen und im Abdomenbereich angelegen.
Als Wärmeträger können Moor- oder Fangopackungen bzw. zerdrückte ungeschälte Kartoffeln verwendet werden. Dieser wird dann zwischen Zwischen- und Außentuch angebracht. Die Temperatur sollte zwischen 36° und 38° Grad liegen und vorher überprüft werden.
Die äußere Lage fixiert den Wickel mit Klettverschlüssen oder Verschnürungen, damit dieser nicht verrutscht. Bestenfalls sollte der Wickel nach den Mahlzeiten und für circa 20 Minuten aufgelegt werden [3].
Da in Bellos Fall der Durchfall stressinduziert war, entschied ich mich für die kombinierte Wirkung des feuchtwarmen Wickels. Die enthaltene Wärme wirkt schmerzlindernd auf den Gastrointestinaltrakt und das ätherische Öl des Lavendels analgetisch, antiphlogistisch, sedierend, beruhigend und anxiolytisch.
Achtung
Bei fieberhaften Patienten dürfen keine warmen Wickel angewendet werden.
Verschiedene Wickelarten
Kalte, kühlende Wickel(16–18° C bzw. 10–15°) wirken kühlend, fiebersenkend, antiphlogistisch und schmerzlindernd und dienen der Behandlung von akuten lokalen Entzündungen, sowie Prellungen, Quetschungen, Hämatomen oder auch bei Fieber.
Kalte, wärmende Wickel (15–20° C) wirken hingegen durchblutungsfördernd, immunstärkend und stoffwechselanregend und werden für Indikationen wie chronische Bewegungsstörungen und zur Anregung von Verdauung und Stoffwechsel verwendet.
Körperwarme Wickel (36–38° C) wirken wärmend, schmerzlindernd und durchblutungsfördernd und sind zur Behandlung von Muskelverspannungen, Erkältungen, Bronchitiden und Husten geeignet.
Körperwarme, trockene Wickel (36–38° C) sind schmerzlindernd und entspannend und werden bei Muskelverspannungen, Magen-Darm-Störungen, Neuralgien und chronischen Gelenkbeschwerden angewendet.
Heiße Wickel, sowie Dampfauflagen (39–41° C bzw. 40–45° C) wirken wärmend, stoffwechselanregend, entspannend und spasmolytisch und sind bei Husten, Bronchitis, Magen-Darm-Störungen, chronischen Gelenksbeschwerden und Muskelverspannungen indiziert.
Durch die thermischen Reize werden körpereigene Regulationsmechanismen beeinflusst und durch die Arzneipflanzen Schmerzen und Beschwerden gelindert.
Achtung
Bei sehr heißen Wickeln sind Verbrennungen möglich und bei sehr kalten Wickeln Gefäßspasmen! Besonders sehr heiße Wickel (40–45°C) sollten nur mit Bedacht und unter vorheriger Überprüfung der Kreislaufstabilität eingesetzt werden. Auch bei Bluthochdruck, akuten Rücken- und Nervenschmerzen, Verletzungen und Traumata sind zu heiße Wickel kontraindiziert [3].
Latwerge
Eine Latwerge ist eine breiige bzw. teigförmige Zubereitung von frisch pulverisierten Arzneipflanzen. Zusätzlich werden Hilfsstoffe wie Leinsamen oder Eibischwurzel, sowie Fruchtmus, Honig oder Melasse als Bindemittel verwendet. Beim Erwerb der Zutaten ist auf eine naturreine Bio-Qualität zu achten.
Zubereitung und Verabreichung
Tagesportion
- 1g Kümmelsamen
- 1g Fenchelsamen
- 1g Anissamen
- circa 2 EL Honig
Samen im Mörser anstoßen und pulverisieren, mit Honig mischen, bis eine breiige Konsistenz entsteht [Abb. 2]. Daraus mehrere Kügelchen formen und über den Tag verteilt füttern.

Sollte der Hund die Latwerge nicht so fressen, kann diese auch in die Schonkost untergemischt werden.
Durch ihre verdauungsfördernden, appetitanregende sowie spasmolytischen Eigenschaften eignen sich Fenchel, Kümmel und Anis besonders bei Verdauungsstörungen und zur Therapie von Magen-Darm-Symptomen.
Achtung
Latwergen müssen stets jeden Tag frisch zubereitet werden, da sie leicht verderblich sind [2].
Verlauf
Nach den ersten 5 Tagen hatte Bello schon keinen Durchfall mehr. Da es sich um eine stressbedingte Ursache handelt, ist eine symptomatische Therapie in diesem Falle nicht ausreichend. Essenziell war die Wiedereinführung eines festen Liegeplatzes, sowie eine wieder gesteigerteZuwendung der Bezugspersonen zu deren möglichen Kapazitäten und eines geordneten Tagesablaufes zur Stressreduktion. Da die Küche als offenes Durchgangszimmer sowieso eher ungeeignet war, wurde Bello ein fester Ruheplatz im ruhiger gelegenen Wohnzimmer eingerichtet. Verhaltenstherapeutisch wird ebenfalls mit einem Hundetrainer ihm gearbeitet.
Als nächsten Schritt in Bellos Therapie galt es sowohl die Darmgesundheit noch weiter zu stärken und an der psychischen Komponente zu arbeiten, um einen Rückfall zu verhindern.
Ab Tag 6 bekam er für 6 Wochen einmal täglich 5,5 Tabletten EnteroRegén zum Aufbau des Darmes und einer gesunden Darmschleimhaut. Der enthaltene Weihrauch- und Süßholzwurzelextrakt sorgen für eine immunmodulierende, schleimhautprotektive, analgetische und antiphlogistische Wirkung.
Zusätzlich erfolgte noch ein Aufbau der Darmflora mit Arktibiotic Select durch die darin enthaltenen Bakterienkulturen und D-Vitaminen in der Dosierung von einmal täglich 2 Messlöffel.
Des Weiteren erhielt Bello Sedacur forte 2–3 × täglich ein Dragee. Die enthaltenen Baldrianwurzeln, Hopfenzapfen und Melissenblätter wirken anxiolytisch, antidepressiv, stressmindernd, spasmolytisch, muskelrelaxierend und verdauungs- und appetitfördernd.
Nach 4 Wochen in denen Bello weiterhin stabil blieb, wurde sowohl das EnteroRegén, als auch das Arktibiotic Select abgesetzt, das Sedacur forte jedoch weitergegeben.
Da nach 3 Monaten Bellos Zustand weiterhin gleichbleibend zufriedenstellen war und sich auch durch die Arbeit mit dem Hundetrainer ein guter Tagesablauf, sowie eine wieder engere Bindung zu seinen Besitzern eingestellt hatte, konnte ebenso das Sedacur forte mit Erfolg und ausbleibender Symptomatik abgesetzt werden.
Zusammenfassung
Wie man an diesem Fall sieht, ist eine ganzheitliche und auch verhaltenstherapeutische Herangehensweise bei stressbedingtem Durchfall sehr sinnvoll. Ohne eine Arbeit an der Liegeplatzsituation, der Verbesserung der Beziehung zu seinen Besitzenden und eine symptomatische Therapie zur gegebenen Zeit wäre ein Fortbestehen beziehungsweise ein Wiederauftreten gegebenenfalls nicht zu vermeiden gewesen.
Der Originalbeitrag zum Nachlesen:
Rodenbücher A L. Stressbedingte Gastroenteritis bei einem Labrador – ein Fallbericht. Zeitschrift für Ganzheitliche Tiermedizin 2024; 38(02): 48 - 53. doi:10.1055/a-2270-1338
(JD)



