PferdWas sagt das ACVIM Consensus Statement zum Equinen Asthma?

Vom Consensus Statement des American College of Veterinary Internal Medicine (ACVIM) bis hin zu den klinischen Anzeichen – alles zum Equinen Asthma.

Eine Pferdeherde ist auf einer Weide. Ein Pferd geht voran und schaut in die Kamera. Die Pferde haben braunes Fell.
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An einer "Inflammatory Airway Disease" können Pferde aller Rassen und Altersgruppen erkranken. - Symbolbild

Mit dem American College of Veterinary Internal Medicine (ACVIM) Consensus Statement 2016 [2] kam es zu einer Namensänderung bei den chronischen, nicht-infektiösen Lungenerkrankungen des Pferdes im Angloamerikanischen Raum. Bereits Anfang 2000 war die Erkrankung von COPD (Chronic obstructive Pulmonary Disease) in RAO (Recurrent Airway Obstruction) umbenannt worden, wobei im deutschen Sprachraum weiter der Begriff COB (Chronisch obstruktive Bronchiolitis) bevorzugt wurde [5], [6]. Fey vergleicht 2006 die verschiedenen Termini und ihre Definitionen [5], eine weitere Aufstellung der Nomenklatur findet sich bei Fey und Venner [6].

Vieles im ACVIM Consensus Statement ist nicht neu, sondern seit langem bekannt. Eine Vielzahl an neuen Publikationen, die sich mit Teilaspekten des Equinen Asthmas beschäftigen, z. B. Untersuchungen zur Pathogenese und den entzündlichen Vorgängen in der Lunge, aber auch mit den unterschiedlichen Untergruppen von Equinem Asthma, den diagnostischen Möglichkeiten sowie den Therapieansätzen, erweitern unseren Wissensstand bezüglich der chronischen, nicht-infektiösen, entzündlichen Erkrankungen der unteren Atemwege.

Im ACVIM Consensus Statement von 2007 [2] ging es darum, Pferde mit „Inflammatory Airway Disease“ (IAD) näher zu klassifizieren und IAD von „Recurrent Airway Obstruction“ (RAO) abzugrenzen.

Merke

Der Hauptunterschied zwischen „Inflammatory Airway Disease“ und „Recurrent Airway Obstruction“ ist die in Ruhe fehlende Dyspnoe bei Pferden mit „Inflammatory Airway Disease“ [2].

Im ACVIM Consensus Statement von 2016 wird vorgeschlagen, die chronischen, entzündlichen Atemwegserkrankungen der Pferde als „Equines Asthma“ (EA) zu bezeichnen, da deutliche Parallelen zum humanen Asthma bestehen. Unter EA fallen – laut ACVIM Consensus Statement – die bisher als IAD und RAO (auch SP-RAO) bezeichneten Phänotypen. Der Schweregrad von EA reicht von mild über mittelgradig (IAD) bis hochgradig (RAO), was allerdings nicht als Kontinuum angesehen werden sollte. Denn obwohl Pferde mit IAD ein erhöhtes Risiko haben, an RAO zu erkranken, heißt dies nicht, dass Pferde mit IAD zwangsläufig RAO entwickeln. Bei der Mehrheit der Pferde mit IAD heilt die Erkrankung aus [2]. 

Leistungsintoleranz als Hauptsymptomatik

Pferde mit mildem bis mittelgradigem EA (IAD) sind in Ruhe asymptomatisch und zeigen keine Dyspnoe. Die Hauptsymptomatik besteht hier in einer Leistungsintoleranz mit oder ohne Husten. Pferde mit hochgradigem EA (RAO) husten häufig, zeigen in Ruhe eine erschwerte Atmung und Dyspnoe und sind leistungsintolerant [2].

An IAD können alle Rassen und Altersgruppen erkranken

Rennpferde aber auch andere Pferde aller Rassen und Altersgruppen können an IAD erkranken. Für gewöhnlich handelt es sich um junge bis mittelalte Pferde, aber grundsätzlich kann jede Altersgruppe betroffen sein. Die Hauptsymptome sind Leistungsminderung (Leistungsintoleranz) und chronischer, intermittierender Husten. Diese Anzeichen sind unspezifisch und können sehr mild sein, sodass es meist weiterer Diagnostik bedarf, um die Verdachtsdiagnose IAD zu stellen [2]. In Ruhe ist bei Pferden mit IAD keine Dyspnoe vorhanden.

Die Leistungsintoleranz, also beim Rennpferd die verminderte Rennleistung und beim Sportpferd, wie z. B. Spring- oder Dressurpferd, die reduzierte Leistungsbereitschaft, sind assoziiert mit dem Auftreten von vermehrtem Schleim, der sich in der Trachea mittels Bronchoskopie nachweisen lässt. Differenzialdiagnostisch kommen in diesen Fällen neben orthopädischen und anderen eine Leistungsminderung bedingenden Erkrankungen auch noch andere respiratorische Erkrankungen als Ursache infrage. Auch Komorbiditäten sollten berücksichtigt werden [2]. Grundsätzlich sind bei der Beurteilung, ob die IAD die Ursache der Leistungsintoleranz ist, immer die Anforderungen an das jeweilige Pferd zu berücksichtigen [8]. Klinische Anzeichen sind des Weiteren eine verlängerte Erholungsphase nach Belastung, bis sich die Atemfrequenz wieder normalisiert. Auch ein vermehrter respiratorischer Aufwand während Belastung kann auf eine IAD hinweisen. Ursächlich für die verminderte Leistungsfähigkeit ist der beeinträchtigte Gasaustausch, der zu einer Verschlechterung der belastungsinduzierten Hypoxämie führt [2].

Chronischer Husten, der länger als 3 Wochen andauert, kann als Indikator für eine Atemwegsentzündung herangezogen werden, da er mit einem vermehrten Auftreten von neutrophilen Granulozyten in der BALF (Bronchoalveolar Lavage Flüssigkeit) assoziiert ist. Auch vereinzeltes Husten oder Nasenausfluss können ein Hinweis sein, wobei die Abwesenheit von Husten aber nicht automatisch mildes und mittelgradiges EA ausschließt [2]. Die Lungenauskultation bei mildem und mittelgradigem EA ergibt normalerweise keine Auffälligkeiten, wobei jedoch manche Pferde beim verstärkten Inspirium verschärfte Atemgeräusche haben können.

Hochgradiges EA mit Kardinalsymptom Dyspnoe in Ruhe

Pferde mit hochgradigem EA sind normalerweise älter als 7 Jahre und zeigen neben häufigem Husten und Leistungsintoleranz auch Dyspnoe in Ruhe [2]. Dieses Kardinalsymptom der Dyspnoe äußert sich durch eine Schweratmigkeit, die durch die verstärkte exspiratorische Ruheatmung charakterisiert ist [6], [8].

Mittels klinischer Untersuchung lassen sich hier schon wertvolle Hinweise zur Abgrenzung von hochgradigem EA zu anderen Lungenerkrankungen gewinnen. Die angestrengte, verlängerte Exspiration bei hochgradigem EA unterscheidet sich klar z. B. von einem oberflächlich restriktivem Atemmuster oder auch einer in- und exspiratorisch gemischten Dyspnoe [8], [9]. In sehr ausgeprägten Fällen ist neben der vermehrten Bauchpresse, oft mit doppelschlägiger Atmung und „Dampfrinne“, auch Nüstern- und Afteratmung zu beobachten [9].

Neben der Bronchokonstriktion und der entzündlichen Infiltration der Bronchialschleimhaut mit Neutrophilen spielt auch die vermehrte Sekretproduktion eine Rolle [6], [8]. Die vermehrte Schleimproduktion und die gestörte mucoziliäre Clearance führen zu Husten und auch Nasenausfluss [2], [8]. Die Auskultation, einschließlich der Auskultation unter künstlich forcierter Atmung (z. B. mittels Plastiktüte), ergibt häufig Rasseln und Giemen [6], [9]. Das tiefe Inspirium ist eine einfache Methode, um Atemgeräusch bei der Auskultation zu verstärken [9].

Mittels Perkussion lässt sich ein erweitertes Lungenfeld nach kaudo-ventral sowie eine Verschiebung der mittleren kaudalen Lungengrenze nach kaudal zeigen [9]. Der Schweregrad der klinischen Anzeichen schwankt häufig und verbessert sich meist spontan mit Haltungsoptimierung [2].

Fazit

  • Equines Asthma ist der Oberbegriff für die entzündlichen, nicht-infektiösen Erkrankungen der unteren Atemwege.
  • Mildes und moderates EA unterscheiden sich von hochgradigem EA durch das Fehlen der Dyspnoe in Ruhe.
  • Die zytologische Diagnostik sollte mittels BAL erfolgen. Dies kann durch eine zytologische Untersuchung des TBS ergänzt, aber nicht ersetzt werden.
  • Finden sich vermehrt neutrophile Granulozyten in TBS und/oder BAL, ist dies NICHT gleichzusetzen mit einer infektiösen, bakteriellen Ursache.

Dies ist ein Auszug aus dem Originalartikel:

Equines Asthma – Was sagt das ACVIM C... - VetCenter, Thieme

(JD) 

  1. Couëtil LL, Hoffman AM, Hodgson J. et al. Inflammatory Airway Disease of Horses. J Vet Intern Med 2007; 21: 356-361
  2. Couëtil LL, Cardwell JM, Gerber V. et al. Inflammatory Airway Disease of Horses – Revised Consensus Statement. J Vet Intern Med 2016; 30: 503-515
  3. Dauvillier J, Ter Woort F, van Erck-Westergren E. Fungi in respiratory samples of horses with inflammatory airway disease. J Vet Intern Med 2019; 33 (02) 968-975
  4. Doubli-Bounoua N, Richard EA, Léon A. et al. Multiple molecular detection of respiratory viruses and associated signs of airway inflammation in racehorses. Virology J 2016; 13: 197
  5. Fey K. COPD und Asthma in der Humanmedizin versus RAP, CB und COB beim Pferd. Pferdespiegel 2006; 3: 118-125
  6. Fey K, Venner M. Krankheiten des unteren Respirationstrakts. In: W. Brehm, H. Gehlen, B. Ohnesorge, A. Wehrend. Hrsg. Handbuch Pferdepraxis. 4. Auflage Stuttgart: Enke; 2017: 356-384
  7. Fortier G, van Erck E, Fortier C. et al. Herpesviruses in respiratory liquids of horses: putative implication in airway inflammation and association with cytological features. Vet Microbiol 2009; 139: 34-41
  8. Gerber V, Venner M, Straub R. Krankheiten der Atemwege. In: V. Gerber, R. Straub. Hrsg. Pferdekrankheiten – Innere Medizin. 2. Auflage Stuttgart: UTB Ulmer; 2016: 115-175
  9. Davis E. Disorders of the Respiratory System. In: Reed SM, Bayly WM, Sellon DC. Hrsg. Equine Internal Medicine. St. Louis: Saunders Elsevier; 2018: 313-386

Dr. Bianca C. Schwarz ist Tierärztin und Diplomate des European College of Equine Internal Medicine. Nach jahrelanger Arbeit in verschiedenen Pferdekliniken in ganz Europa, ist sie seit Januar 2019 als freiberufliche Pferdeinternistin tätig. 

Der Originalartikel "Equines Asthma – Was sagt das ACVIM Consensus Statement?" erschien im Pferdespiegel.