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Notfälle und Bereitschaften sowie die Verantwortung in einem medizinischen Beruf fordern von Tierärzten häufig mehr zeitliche Flexibilität und Engagement als von anderen Berufstätigen. Die starke intrinsische Motivation, Tieren helfen zu wollen, verleitet viele Tierärzte darüber hinaus dazu, ihr Privatleben zu vernachlässigen. Das kann auf lange Sicht zu einem Burn-out führen. Wissenschaftler der Veterinärmedizinischen Universität Wien sprachen mit 20 Tierärzten im Rahmen einer Studie über ihre persönliche Work-Life-Balance.
Mittlerweile ist den meisten Tierärzten bewusst, wie wichtig es ist, Grenzen zwischen Beruf und Privatleben zu ziehen. Eine klare Trennung beider Lebensbereiche ist im Tierarztberuf, wie z. B. durch einen pünktlichen Feierabend, jedoch schwer umzusetzen – unter anderem auch, weil viele Ereignisse in der Tierarztpraxis nicht vorhersehbar sind.
Reale Anforderungen und unrealistische Erwartungen
Wenn Notfälle oder andere unerwartete berufliche Verpflichtungen mit privaten Terminen, wie z. B. Familienfesten, kollidieren, kann es zu Konflikten kommen. Insbesondere Tierärzte, die auch Eltern sind, haben das Gefühl ständig zwischen Beruf und Familie jonglieren zu müssen. Die fehlende Planungssicherheit belastet dabei die Betroffenen und ihre Familien.
Die Arbeit ist dank moderner Technik, wie zum Beispiel Videosprechstunden, im privaten Raum angekommen. Das ist häufig bequem, erschwert aber die Abgrenzung des privaten Erholungsraums von den beruflichen Anforderungen.
Hausbesuche können zum Wohl der Tiere und ihrer Besitzer sinnvoll sein, lassen aber auch ungewollte Einblicke in das Leben der Klienten zu. Sie können die professionelle Distanz erschweren und emotional belasten. Häufig ist die emotionale Abgrenzung in den Praxisräumen leichter.
Manche Tierbesitzer erwarten, dass Tierärzte aufgrund ihres Berufsethos ständig verfügbar sind. Einige Klienten haben dabei kein Verständnis dafür, wenn Tierärzte private Prioritäten setzen. Moderne Kommunikationsmittel, wie mobile Telefonie, soziale Medien und Messengerdienste setzen die Hemmschwelle, jederzeit – auch aus banalen Anlässen – Kontakt zum Tierarzt aufzunehmen, herab. Manche Tierärzte nehmen diese Grenzüberschreitungen in Kauf, weil sie glauben, zum Wohle der Tiere zu handeln.
Unterschiedliche Bewältigungsstrategien
Tierärzte haben unterschiedliche Bewältigungsstrategien, um ihre Privatsphäre zu schützen:
- bewusste Distanz zum Tierhalter halten, z. B. Siezen der Klienten
- Limitierung der Erreichbarkeit durch selektive Weitergabe der mobilen Telefonnummer
- Kontaktaufnahme nur über Textnachrichten oder in bestimmte Zeiten anbieten
- eigene Belastungsgrenzen erkennen und respektieren
- sich persönliche Freiräume schaffen
Eine starke Identifikation von Tierärzten mit ihrem Beruf kann zu persönlichen Grenzüberschreitungen führen, die langfristig die Gesundheit gefährden. Konsequente Grenzziehungen zwischen Beruf und Privatleben, u. a. auch die Abgrenzung von unrealistischen Erwartungen seitens der Tierbesitzer sowie das Schaffen persönlicher Freiräume, tragen dazu bei, gesund zu bleiben und die Freude am Beruf zu erhalten.
Quelle: Dürnberger et al. PLOS One 2025
Der Originalbeitrag zum Nachlesen:
Kurznachrichten "Grenzen ziehen zwischen Beruf und Privatleben" kleintier konkret 2025; 28(03): 4 - 5. doi:10.1055/a-2621-6748
(IR)


