BlogEffektive Parasitenbekämpfung nachhaltig gedacht

Zunehmende Resistenzentwicklung erschweren die Parasitenbekämpfung in der Tiermedizin. Ist eine nachhaltige und ressourcenschonende Parasitenkontrolle die Lösung? 

Medizinisch exakte 3D-Rendering-Darstellung eines Bandwurms. Der Bandwurm ist vor einem schwarzen Hintergrund dargestellt. Der Wurm stellt sich in roter Farbe da und hat einen langen Körper. Das Kopfteil ist rundlich angelegt mit einem Saugnapf.
Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com
Parasiten sind Teil des Ökosystems und nicht nur reine Schaderreger. Sie regulieren die Population und tragen zur Artenvielfalt bei. - Symbolbild

Die Parasitenbekämpfung ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil der Veterinärmedizin und sieht sich in jüngerer Zeit aufgrund einer immer stärker werdenden Resistenzentwicklung großen Herausforderungen ausgesetzt. Neue Herangehensweisen sind dringend erforderlich, um auch künftig ein erfolgreiches Parasitenmanagement bei unseren Tieren gewährleisten zu können. Dr. Christopher Sander von der Georg-August-Universität in Göttingen referierte auf dem ersten Online-Kongress über Nachhaltigkeit in der Tiermedizin über neue Strategien.

Parasiten – der Treiber für Evolution

Ein stärker werdendes Bewusstsein über Nachhaltigkeit in der Tiermedizin, die zunehmende Resistenzentwicklung gegenüber bislang probaten Wirkstoffen sowie die zuweilen starke Umweltbelastung durch deren Anwendung machen ein Umdenken und das Einschlagen neuer Wege in der Parasitenbekämpfung unumkehrbar. 

Dabei ist man sich mittlerweile darüber im Klaren, dass Parasiten genauso Teil unseres Ökosystems sind wie andere Lebewesen – und mehr noch: Sie gelten sogar als Motor unserer Evolution, da sie doch genau diese angestrebte und erforderliche Weiterentwicklung fördern. Keinesfalls sind sie reine Schaderreger, sondern regulieren vielmehr die Population und tragen zur Artenvielfalt bei. Parasiten fördern und fordern ihre Wirte individuell und beeinflussen so intern ganze Populationsgefüge. Auch konkurrieren Parasiten untereinander und halten so ein Gleichgewicht aufrecht. 

Vor diesem Hintergrund ist die Ausrottung von Parasiten nicht nur unrealistisch, sie ist auch ökologisch unsinnig. Ziel muss es daher sein, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und Parasiten klug unter Kontrolle zu halten bzw. sie zu regulieren. Hierdurch kann der Medikamenteneinsatz reduziert werden, was nicht nur ökonomisch positiv ist, sondern auch ökologisch wirkt, d.h. wirksam ist, ohne anderen Lebewesen (Bodenorganismen wie Dungkäfern und Regenwürmern) zu schaden. All das entspricht wiederum dem One-Health-Grundsatz, welcher Flora, Fauna und den Menschen im Einklang sieht. Übertragen auf die Parasitenkontrolle wiederum bedeutet das, dass diese ressourcenschonend und nicht umweltbelastend sein soll, gleichwohl aber die Tiergesundheit bewahrt. 

Natürliche Antagonisten

Neue Ansätze in der Parasitenbekämpfung setzen demnach nicht auf den Einsatz von Medikamenten, sondern suchen gezielt nach Lebewesen, welche Parasiten entweder direkt oder indirekt beeinflussen können. Im Agrarbereich wird dieser Ansatz als sog. Integrated Pest Management verfolgt. So werden etwa Schlupfwespen in der Bekämpfung von Maisschadinsekten eingesetzt. Es ist deshalb lohnend zu fragen, ob dies nicht auch in der Veterinärmedizin, genauer im Bereich der Parasitenkontrolle, umsetzbar ist. 

Denkbar wäre hier der Einsatz von sog. natürlichen Antagonisten, welche schon jetzt ein sehr weites Spektrum umfassen. Zu den bekannten und erfolgreichen Antagonisten zählen u.a. Raubmilben, Insekten(-larven), Bakterien oder auch Nematophage Pilze wie z.B. Arthrobotrys sp. und Duddingtonia sp. Letztere werden bereits als Pellets für die orale Anwendung beim Tier, als Zusatz in der Einstreu und in Verbindung mit dem Weidemanagement in der Nutztierhaltung eingesetzt und in Studien bei Kleintieren, Wildparks und Zoos getestet. Sie wirken, indem sie in die Larven oder Eier von Nematoden einwachsen und diese damit abtöten. Dies geschieht völlig natürlich, ohne Rückstände und somit ohne Umweltbelastung.

Studie über Parasitenbelastung in Tiergehegen

In einer Studie an der Georg-August-Universität in Göttingen wurde die Parasitenbelastung in Tiergehegen in Deutschland anhand von 661 Kotproben und 136 Bodenproben aus 17 Gehegen von 6 Wildtierarten untersucht. Hierbei wurden 661 Kotproben von Damwild, Wildschwein, Rothirsch, Mufflon, Reh und Wisent sowie 136 Bodenproben aus 12 Ein- und 5 Mischgehegen gesammelt und mittels Flotations- und Sedimentationsmethode analysiert. Dabei konnten in knapp 55% der Kotproben sowie gut 62% der Bodenproben Parasiten nachgewiesen werden, was die weite Verbreitung in Tiergehegen in Deutschland anschaulich verdeutlicht. Vorkommende Parasiten waren zumeist Strongyloides sp., Trichostrongylus sp. und Trichuris sp..

Über den Einsatz eines sog. Geo-Informations-Systems (GIS) wurden außerdem die Funde auf einer Karte visualisiert, womit verdeutlicht werden konnte, dass besonders im Bereich von Futter- und Ruheplätzen besonders viele Parasiten gefunden worden waren. 

Nematophage Pilze wirken antiparasitär

Auch wurde in vitro untersucht, ob Nematophage Pilze bei den gefundenen Parasiten Wirkung zeigen. So wurden 27 Testplatten mit je 50 Parasitenlarven 3 unterschiedlichen Pilze zugesetzt. 14 Tage später wurde die Wirksamkeit untersucht. Das durchgängige Ergebnis war eine ausgezeichnete Wirksamkeit bei 2 von 3 Pilzen unter Laborbedingungen. In einem weiteren Schritt soll nun die Wirksamkeit in vivo untersucht werden. Bestätigt sich auch dabei die gute Wirksamkeit, bietet sich zusätzlich eine Behandlung der Gehegeböden mittels Einarbeitung der Pilze durch angereicherte Einstreu um die belasteten Bodenbereiche herum an. Bis heute sind bereits 200 verschiedene Pilzarten bekannt. Diese nutzen alle Entwicklungsstadien des Parasiten und kommen ganz natürlich im Boden vor. 

Im europäischen Ausland wird der Einsatz von Nematophagen Pilzen schon jetzt bei Nutztieren, Kleintieren, in Wildparks und Zoos intensiv erforscht. Und auch bei Hunden und Pferden ist eine gute Wirksamkeit bekannt. So konnte durch den Einsatz bei Wildtieren bereits nach 8 Monaten, bei Pferden nach 15 Monaten auf den routinemäßigen Einsatz von Anthelminthika verzichtet werden (Ergebnisse der Research Group COPAR, Lugo Spanien). 

Neue Technik hilft im Parasitenmanagement

Durch die Göttinger Studie konnte überdies gezeigt werden, dass das regelmäßige Monitoring und ein gezieltes Parasitenmanagement die Tiergesundheit ganz maßgeblich unterstützt. Darüber hinaus kann das GIS dabei helfen, die Hotspots der Parasiten zu identifizieren und gezielt Maßnahmen zu ergreifen, was der Zunahme von Anthelminthika-Resistenzen wirkungsvoll entgegenwirkt. Weitere dieses Management unterstützende Maßnahmen sind außerdem der Einsatz der selektiven Entwurmung oder die Anwendung des Rotationsweideprinzips. 

Durch die Kombination von biologischen und mechanischen Verfahren, bei der der Einsatz natürlicher Antagonisten im Vordergrund steht, kann also über die natürliche Kontrolle von Parasiten ökologisch gehandelt werden, was einen „gelebten“ One-Health-Grundsatz in ganz besonderer Weise verkörpert.