BlogDie nachhaltige Tierarztpraxis

Ein gutes Abfallmanagement, die Wahl der Berufskleidung oder die Vernetzung unterschiedlicher Bereiche – bereits kleine Dinge können die Praxis ein wenig grüner werden lassen.

Arbeitsplatz in einer Tierarztpraxis. Im Vordergrund des Bildes steht ein weißer Schreibtisch. Auf dem Tisch ist ein geöffneter Laptop abgestellt und weitere Utensilien - wie eine Bandage und ein Klemmbrett - liegen auf dem Tisch. Im Hintergrund steht eine Bücherregal und medizinische Plakate hängen an der Wand.
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Mit ein paar Tricks und ein bisschen Kreativität ist eine nachhaltige Tierarztpraxis möglich. - Symbolbild

Gerade für Tierarztpraxen gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, um den Berufsalltag nachhaltiger zu gestalten. Dabei müssen nicht gleich die ganz großen Räder gedreht werden, sondern es sind oft die kleinen Dinge, die unsere Praxis ein wenig grüner werden lassen. Dirk Schölch, Tierarzt und Besitzer einer Kleintierpraxis in Mörfelden referierte über seinen Weg in die nachhaltige Praxis auf dem 1. Online-Kongress über Nachhaltigkeit in der Tiermedizin.  

Viele Kleinigkeiten für das große Ganze

Für Tierarztpraxen (und auch -kliniken) gibt es eine Menge Bereiche, in der Nachhaltigkeit ohne großen Aufwand umgesetzt werden kann: Strom- und Heizungsmanagement, Organisation und Koordination von Praxisabläufen und Personal, Abfallmanagement, die Umstellung auf ein papierloses Büro oder auch die Anfahrt zur Praxis sowie die Schulung der Angestellten für ein besseres Nachhaltigkeitsbewusstsein.

Den Stromverbrauch im Blick haben 

Selbst beim Vorhaben künftig in eine nachhaltigere Strom- und Wärmeversorgung zu investieren, ist mit kleinen Mitteln schnell viel erreicht. Zunächst empfiehlt es sich, Auskünfte beim Anbieter und von anderen, unabhängigen Quellen (z.B. unter Utopia.de) einzuholen, wie der gelieferte Strom erzeugt worden ist. Ggf. ist es ratsam zu einem Anbieter zu wechseln, der auf 100% Ökostrom setzt und am besten noch aktiv den Ausbau von erneuerbaren Energien unterstützt. Über den Abschluss eines dynamischen Tarifvertrags, der sich an den aktuellen Börsenstrompreisen orientiert, kann der Stromverbrauch aktiv in Zeiten mit viel Strom aus erneuerbaren Energien im Netz und dadurch einhergehenden geringen Kosten verlagert werden. Das spart bares Geld.

Für einen dynamischen Tarif ist ein sog. Smart-Meter unabdingbar, denn mit ihm kann man zusätzlich den Stromverbrauch in der Praxis überwachen und optimieren. Dieses Smart-Meter kann den tatsächlichen Stromverbrauch aller in der Praxis aufgestellten elektrischen Geräte ermitteln (Abb. 1). Damit können auch defekte Geräte oder Netzteile aufgespürt und ausgetauscht werden, was den Stromverbrauch sofort mindert. Oft ist es hilfreich zu erkennen, welche Geräte in der Praxis echte Stromfresser sind. Denn der Entschluss in ein neues, energiesparenderes Gerät zu investieren, fällt mit einem Mal damit oft sehr viel leichter.

Wie der Stromverbrauch eines elektrischen Gerätes tatsächlich zu werten ist, zeigt das altbekannte Energielabel, welches früher Klassen von A++ bis E oder heute von A bis G entsprechend der Farbe Grün (Verbrauch sehr gering) bis Farbe Rot (sehr hoch) optisch übersichtlich darstellt. 

Weitere Kennzeichen nachhaltiger Produkte

Doch dies allein reicht nicht, wenn man auf Nachhaltigkeit bei den eingesetzten Geräten setzt. So sollte außerdem darauf geachtet werden, dass die Geräte als schadstoffarm ausgezeichnet und damit frei von Beryllium, Quecksilber, Arsen und Blei sind, kein PVC und Phtalate sowie bromhaltige Flammschutzmittel enthalten und sich außerdem durch Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Recylefähigkeit und die Durchführbarkeit von langfristigen Software-Updates (bevorzugt Open-Source-Modelle) auszeichnen. Erst all diese Kriterien zeichnen ein Gerät als wirklich nachhaltig aus. 

Auch bei der Verwendung von Alltagsgegenständen in der Praxis kommt es auf genau diese Punkte an: Sie sollten wiederverwendbar, also waschbar, gut reparierbar und am besten in Deutschland produziert worden sein (kurze Lieferwege!).  

Vernetzung einzelner Bereiche durch smarte Steuerung

Durch Zusatzfunktionen bei Geräten und eine gute Vernetzung der unterschiedlichen Bereiche (etwa offene Funkprotokolle) können noch mehr Ressourcen eingespart werden. Beispiele hierfür sind etwa eine Überwachung von Temperatur und Feuchtigkeit durch digitale Messgeräte, welche mit einer intelligenten Steuerung der Heizung oder Klimaanlage verbunden sind und den Bedarf automatisch regeln. Gleiches ist machbar über Außensensoren, die die Bewegung, Helligkeit und Temperatur messen und verbunden über eine smarte Steuerung z.B. die Beleuchtung und Temperatur in den Praxisräumen regeln. 

Die papierlose Praxis

Ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Tierarztpraxis leistet auch der Verzicht auf Papier – und das am besten in allen Bereichen: Bestellungen können heutzutage online getätigt und Rechnungen online verschickt werden. Durch digitale Schnittstellen werden Kassenbücher online übermittelt und auch die Personalführung erfolgt am besten digital. So existieren längst Tools zur digitalen Zeiterfassung, Urlaubsplanung, Abwesenheitsverwaltung und für das Führen einer Personaltakte. Auch To-Do-Listen und Arbeitsanweisungen erfordern heutzutage kein Papier mehr, sondern lassen sich unkompliziert mithilfe entsprechender Apps abbilden. Idealerweise werden diese Werkzeuge auf Basis von Open-Source-Software implementiert, um sowohl Datensicherheit als auch Datenhoheit zuverlässig zu gewährleisten.

Darüber hinaus kann die Kommunikation mit dem Patientenbesitzer größtenteils digital erfolgen, Fragebögen und Einwilligungen bis hin zum Kassenbon können digital ausgestellt werden. 

Dabei liegt der Schlüssel zum Erfolg im mobilen Endgerät.

Grüne Rechenzentren

Nahezu jede moderne Praxis hat heute ihre eigene Homepage, die es dem Kunden rund um die Uhr ermöglicht, z.B. Sprechzeiten abzurufen, sich über das Leistungsspektrum zu informieren oder andere Auskünfte einzuholen. Ein wesentlicher Punkt, der die grüne Praxis hierbei auszeichnet, ist das Zurückgreifen auf ein „grünes“ Hosting: Über ein nachhaltiges Rechenzentrum wird sichergestellt, dass der Strom für Rechenzentren zu 100% aus lokaler erneuerbarer Energie stammt, die Räume für das Rechenzentrum z.B. in ehemaligen Militärgebäuden und Bunkern untergebracht sind und somit keine Neubauten nötig waren oder die Server-Abwärme kein Abfall-Produkt darstellt, sondern weiterverwendet wird. 

Grünes Abfallmanagement

Das grüne Abfallmanagement beginnt schon bei der Bestellung. Mittlerweile bieten einige Unternehmen zu 100% recycelbare Versandboxen im Mehrwegsystem an. Dies bedeutet, dass kein Styropor, ausschließlich Papierklebeband und Füllmaterial auf Basis von Kartoffelstärke verwendet wird und Kartons überhaupt nur so groß wie nötig sind. In diesem Zusammenhang sollte auf viele kleine Einzelsendungen verzichtet und eher Großbestellungen vorgenommen werden, denn große Packungsgrößen sparen Verpackungsmüll ein. Zu beachten gilt, dass Recycling überhaupt nur möglich ist, wenn der Müll vorab richtig und sorgsam getrennt wird (Abb. 2). 

Keine Fast Fashion als Berufsbekleidung

Bei der Ausstattung der Mitarbeiter mit Berufsbekleidung sollte von Fast Fashion abgesehen und auf langlebige und nachhaltige Materialien gesetzt werden. Gestickte Logos sind sehr viel langlebiger als gedruckte und obendrein frei von Chemikalien. 

E-Mobilität für die Tierarztpraxis

Auch der Bereich der E-Mobilität bleibt bei der nachhaltigen Tierarztpraxis nicht außen vor. Es sollte so viel wie möglich Anreiz für Patientenbesitzer und Mitarbeiter geschaffen werden, umweltfreundlich in die Praxis zu kommen. Dies gelingt am besten, in dem Lademöglichkeiten für E-Autos an der Praxis geschaffen werden, Fahrradständer genügend Platz für ein Lastenrad bieten und Bus- und Bahnhaltestellen in der Nähe der Praxis bestehen (Standortwahl bei Neubauten!). Für Mitarbeiter ist das Einrichten eines nachhaltigen Mobilitätsbudgets denkbar, das die Anfahrt mit Fahrrad, ÖPNV oder Fernverkehr belohnt. Anfahrten zu Fortbildungen und Kongressen sollte gleichermaßen ausschließlich mit der Bahn oder dem ÖPNV erfolgen oder falls das nicht möglich ist, sollten Fahrgemeinschaften gebildet werden. 

Nachhaltigkeit ist machbar

Die vielen hier aufgezeigten Beispiele machen deutlich, dass die grüne, nachhaltige Tierarztpraxis ohne großen Aufwand machbar ist. Mit etwas Mühe und Kreativität können Energie eingespart, Ressourcen geschont und letztlich der Gelbeutel entlastet werden. Die vielen kleinen Schritte ebnen damit den Weg in eine nachhaltigeren, grünen Berufsalltag in der Tiermedizin.