BlogNachhaltigkeit bei Inhalationsnarkosen

Inhalationsnarkotika, welche auch in der Tiermedizin eingesetzt werden, besitzen ein großes klimaschädliches Potenzial. Doch wie kann das Klima auch bei der Inhalationsnarkose geschont werden? 

Ein Hund liegt auf einem OP-Tisch. Nur die Pfoten des Hundes sind erkennbar. Im Hintergrund sind einige Schläuche und ein Monitor.
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Die Inhalationsnarkose wird im Bereich der Kleintier- und Pferdemedizin regelmäßig eingesetzt. - Symbolbild

Die CO2-Emission stellt nach wie vor die größte Gefahr für unser weltweites Klima dar. Die auch in der Tiermedizin eingesetzten Inhalationsnarkotika machen im Vergleich dazu zwar nur einen geringeren Anteil an Treibhausgasen aus, haben gleichzeitig aber ein viel größeres klimaschädliches Potenzial. Wie man das Klima bei der Inhalationsnarkose dennoch schonen kann und wo sich wertvolle Handlungsfelder auftun, erklärt Prof. Michaele Alef aus der Klinik für Kleintiere der Universität Leipzig.

Treibhausgasemissionen nach wie vor problematisch

Zwar sind ist CO2-Gesamtemission in Deutschland zwischen 1990 und 2021 von ca. 1250 auf 739 Mio. Tonnen gesunken, die tatsächliche Konzentration in der Atmosphäre hat jedoch im Zeitraum von 1979 bis 2021 um gut 100 µmol/mol CO2-Äquivalente zugenommen. In der EU setzen sich diese emittierten Treibhausgase vorrangig aus 80% CO2, 11% Methan, 6% Distickstoffoxid/Lachgas und rund 2% Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) zusammen. Machen Lachgas und FKW also auf den ersten Blick einen eher geringen Anteil aus, darf nicht vergessen werden, dass beide nach wie vor besonders in der Anästhesie eine große Rolle spielen. So ist in den westlichen Ländern der Gesundheitssektor (Mensch) allein für 5-10% der Treibhausgase verantwortlich, zum einen durch den energieintensiven Betrieb von OP und Intensivstation (ca. 50%) und zum anderen durch den Einsatz von Inhalationsnarkotika (ca. 35%). 

In der Veterinärmedizin finden sich dagegen in der Literatur bislang hierüber kaum Angaben. Trotzdem ist zu vermuten, dass auch hier eine große Belastung besteht, denn die Inhalationsnarkose wird im Bereich der Kleintier- und Pferdemedizin standardmäßig eingesetzt, bietet sie doch Vorteile wie eine gute Steuerbarkeit, gleichmäßige Narkosetiefe bei einer nur geringen Belastung des Patienten. Diese lassen Nachteile wie Atem- und Kreislaufdepression, fehlende Analgesie und der apparative Aufwand in den Hintergrund treten. 

Klimakiller Inhalationsnarkotika

Gut bekannt ist mittlerweile das enorm umweltschädliche Potential der Inhalationsnarkotika. So gelten Lachgas, FKW wie Sevofluran und Desfluran sowie die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) Iso-, Enfluran und Halothan als Treibhausgase, die im Falle der FCKW zusätzlich einen ozonschädigenden Effekt aufweisen. 

Vor dem Hintergrund, dass…

  • in der BRD 7 Mio. Inhalationsnarkosen (Mensch) pro Jahr durchgeführt werden,
  • eine 7-stündige OP mit Desfluran einer Klimaschädigung von einer 8000 km langen Autofahrt gleichzusetzen ist (hohes CO2-Äquivalent + hoher Verbrauch durch geringe Potenz),
  • in einer durchschnittlichen Gasnarkose etwa 60 kg CO2-Äquivalente entstehen
  • Narkosegase um ein Vielfaches schädlicher auf das Klima wirken (Desfluran etwa 2500mal, Isofluran 510mal, Sevofluran 130mal und Lachgas 300mal so stark) als CO2 und 
  • sie noch dazu viel länger in der Atmosphäre bleiben als die Anästhesie dauert (Desfluran bis zu 14 Jahre, Isofluran und Sevofluran 2-6 Jahre und Lachgas bis 114 Jahre), 

…. besitzt die Durchführung von Inhalationsnarkosen also einen schädigenden Einfluss auf unser Klima. 
Zwar soll weltweit bis 2035 auf halogenierte Kohlenwasserstoffe gänzlich verzichtet werden, jedoch sind die volatilen Anästhetika explizit ausgeschlossen. Laut aktueller Studien erwartet man sogar einen Anstieg des Verbrauchs um rund 9% aufgrund einer Zunahme der medizinischen Versorgung sowie einer steigenden Lebenserwartung.

Mögliche Handlungsfelder

Um diese Belastung zu minimieren, muss an mehreren Stellen gleichzeitig angesetzt werden. Potentielle Stellschrauben sind die Wahl eines weniger klimaschädlichen Inhalationsanästhetikums, die Reduktion des Verbrauchs sowie die Verwendung von Absorbern. All das trägt zur Schonung der Ressourcen bei. Die EU hat dementsprechend reagiert und sieht ein Verbot von Desfluran ab 2026 vor. Glücklicherweise ist in der Kleintieranästhesie vor allem das weniger schädliche Isofluran verbreitet, noch besser wäre jedoch eine Verwendung von Sevofluran (geringeres CO2-Äquivalent, geringere atmosphärische Lebensdauer, keine Ozon-Schädigung). Auf Lachgas (atmosphärische Lebensdauer 114 Jahre) sollte verzichtet werden.

Handlungsfeld Reduktion

Gerade die Reduktion des Verbrauchs liefert einen wertvollen Ansatz, um die Atmosphäre zu entlasten. Wird etwa die Rückatmungsmöglichkeit des Narkosegerätes (Kreissystem) genutzt und der Frischgasfluss niedrig gehalten, entsteht per se weniger Abfallgas und die Umweltbelastung sinkt. Prinzipiell ist dies an jedem Kreissystem möglich. Voraussetzung ist die Dichtigkeit des Gerätes, eine entsprechend feine Einteilung der Gasflussmessröhren und ein Verdampfer, der eine genaue Dosierung auch bei kleinen Flüssen ermöglicht. Dies sollte bei neueren Verdampfern der Fall sein, diese garantieren eine gleichmäßige Dosierung von 200 ml/min bis 15 l/min. Zusätzlich hat die Rückatmung den Vorteil, dass das Atemgas bereits angefeuchtet und angewärmt ist. Gleichwohl gibt es Nachteile: Bei einem hohen Rückatemanteil werden Änderungen der Narkosegaskonzentration am Verdampfer erst zeitverzögert für den Patienten relevant (Trägheit) und außerdem sind die Gaskonzentration im System nicht genau bekannt. Gerade bei sehr niedrigen Frischgasflüssen bedarf dies einer intensiveren Narkoseüberwachung. 

Sedativa und Analgetika senken den Verbrauch

Die Reduktion des Verbrauchs kann darüber hinaus aber auch noch anderweitig erreicht werden. So reduzieren eine adäquate Sedation und systemische Analgesie, Lokal-/Regionalanästhesie und Co-Medikation (intravenöses Lidocain, Maropitant, Magnesium) die notwendige Konzentration des Inhalationsnarkotikums deutlich.

Absorber versus Anästhesiegasfortleitung

Die Umstellung von der klassischen Narkosegasabsaugung/Anästhesiegasfortleitung auf moderne Absorber leistet einen weiteren guten Beitrag. Diese fangen die Inhalationsanästhetika ab, so dass diese nicht mehr in die Umwelt gelangen, und ermöglichen ggf. auch die Gase zu recyclen. Die Überwachung der Leistungsfähigkeit des Absorbers ist denkbar einfach und erfolgt in der entsprechenden Halterung automatisch durch Abwiegen des Absorbermaterials. Der Einsatz von Kompressoren, wie bei der klassischen Anästhesiegasfortleitung oft nötig, entfällt. Damit wird zusätzlich der Energieverbrauch stark gesenkt. Die alte, früher empfohlene Anästhesiegasfortleitung ist damit überholt.

Weitere Möglichkeiten

Generell sollte man sich vor jeder Operation die Frage stellen, ob sie überhaupt einer Inhalationsanästhesie bedürfen oder ob die Totale intravenöse Anästhesie (TIVA) eine mögliche Alternative ist. Neuere Ansätze aus der Humanmedizin zielen zum Beispiel darauf ab, klimafreundliche Gase wie Xenon in der Anästhesie zu verwenden. Dessen Gewinnung ist bislang jedoch noch sehr teuer, so dass es unklar ist, inwieweit es „die Lösung“ für Human- und Veterinäranästhesie sein kann.