PferdMedical Training: Die Augen entspannt untersuchen

Beim Medical Training mit dem Pferd kann auch die Augenuntersuchung trainiert werden. Lesen Sie hier, wie die Untersuchung Schritt für Schritt geübt werden kann. 

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Nahaufnahme von dem rechten Auge von einem Pferd. Das Pferd ist ein Rappe.
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Mit Hilfe von Medical Training können Stress und Verletzungsgefahr bei Augenuntersuchungen verringert werden.

Die Augenuntersuchung ist Bestandteil des allgemeinen klinischen Untersuchungsganges, da Veränderungen dieses Organs häufig Folge systemischer Krankheitsprozesse sind (beispielweise können systemische virale oder bakterielle Infektionen die Augen im Sinne einer Uveitis mit einbeziehen). Daher sollte die klinische Augenuntersuchung auch dann erfolgen, wenn anamnestisch kein expliziter Hinweis auf ein Augenproblem vorliegt. Daneben ist die Untersuchung beider Augen auch ein fester Bestandteil des Untersuchungsganges bei Kaufuntersuchungen.

Adspektorisch werden beispielsweise die Lidbindehäute und die Sklera zur Beurteilung der Schleimhautfärbung und möglicher Gefäßinjektionen untersucht. Weiterführende Untersuchungen umfassen u. a. die Beurteilung der Linse und des vorderen Glaskörpers unter Zuhilfenahme eines Handspaltlampen-Biomikroskops, bestehend aus einem Beobachtungsmikroskop mit Vergrößerungsoptik und einer seitlich angebrachten, im Winkel variabel einstellbaren Beleuchtungseinheit. Damit können die Lage von Trübungen, Auflagerungen und Fremdkörpern sowie alle Strukturen des Auges und seiner Adnexe betrachtet werden.

Für jegliche der genannten Untersuchungen ist ein direkter physischer Kontakt am Kopf bzw. am Auge des Pferdes notwendig, wobei der Patient den Kopf ruhig halten muss. Da das Blickfeld in diesem Augennahen-Bereich allerdings eingeschränkt ist, reagieren viele Pferde schon bei Näherung der Untersucherhand zum Kopf und der notwendigen Berührung des periorbitalen Bereichs mit Abwehr und/oder Stress. Daher sollte die Untersuchung der Augen rechtzeitig durch gezieltes Medical Training geübt werden.

Trainingsaufbau

Das Training wird in ein Hauptziel und mehrere Zwischenziele unterteilt (s. Pferdespiegel 2024; 01: 4 – 11). Die Anzahl der Zwischenziele richtet sich nach der Kooperationsbereitschaft des Pferdes und der Erfahrung des Trainierenden. Die Zwischenziele sind so zu wählen, dass sie aufeinander aufbauen. Zeigt das Pferd ein Zwischenziel 2- bis 3-mal in Folge sicher, kann zum nächsten Zwischenziel gewechselt werden.

Lektion Untersuchung der Augen

Ziel: Das Pferd duldet die Berührung am Auge und das Spreizen der Augenlider unter Verwendung von Untersuchungsgeräten stressfrei.

Zwischenziele:

  1. entspanntes Stillstehen: Die Basis für das Training zur Augenuntersuchung ist das entspannte Stillstehen des Pferdes. Dieser Punkt muss so weit trainiert werden, bis das Pferd über einen ausreichend langen Zeitraum hinweg ruhig und entspannt steht. Erst dann wird zum nächsten Zwischenziel gewechselt.
  2. Kontaktaufnahme und die richtige Positionierung des Trainierenden: Die Kontaktaufnahme sowie die richtige Positionierung des Trainierenden am Kopf des Pferdes sollte unter ruhiger Berührung (eine Hand am Pferdekörper) geschehen. Wichtig ist es, auch bei Manipulationen am Kopf auf die eigene Sicherheit zu achten und das Verhalten des Pferdes jederzeit genau zu beobachten. Hierzu kann die Ohrenstellung, die Grundspannung des Tieres sowie der Gesichtsausdruck/Gesichtsspannung herangezogen werden.
  3. Hand vor das Auge halten: Ziel ist hier, das Pferd an eine Hand in der Nähe des Auges zu gewöhnen. Dafür wird die Hand ruhig auf Augenhöhe des Pferdes gehalten und langsam, ohne hektische Bewegungen, in Richtung des Auges bewegt. Zu beachten ist, dass hierbei das Blinzeln einen natürlichen Reflex des Pferdes darstellt und vom Trainer toleriert werden muss.
  4. Berührung des Kopfes: Bevor in unmittelbarer Nähe des Auges eine Berührung stattfindet, sollte das Pferd gelernt haben, die Berührung an weniger empfindlichen Stellen zu akzeptieren. Hierbei ist es ratsam, an Wangen und Unterkiefer zu beginnen, wobei natürlich die einzelnen Vorlieben/Abneigungen des jeweiligen Pferdes berücksichtigt werden müssen.
  5. Berührung des Auges: Bei diesem Zwischenziel sollten zu Trainingsbeginn schon kleinste Entspannungen belohnt und dieser Schritt so lange geübt werden, bis das Pferd ohne Ausweichreaktion die Berührung des periorbitalen Bereichs und der Augenlider toleriert. Erfahrungsgemäß ist dies der herausforderndste Punkt der Lektion, weshalb es bei vielen Tieren notwendig und sinnvoll ist, dem Pferd und dem Training entsprechend Zeit und Einfühlungsvermögen einzuräumen. Ferner sollte erst zum nächsten Zwischenziel gewechselt werden, wenn die Berührung des periorbitalen Bereichs und der Augenlider wirklich ohne Abwehrreaktion toleriert wird.
  6. Spreizen der Augenlider: Zum Üben des Spreizens der Augenlider (z. B. zum Zwecke der Beurteilung der Lidbindehaut) werden zunächst der Zeigefinger auf das obere Augenlid und der Daumen auf das untere Augenlid aufgelegt. Nachfolgend wird trainiert, dass das Pferd einen zunehmenden Druck auf das obere Augenlid und das Herunterziehen des unteren Augenlids toleriert, bis die Lidbindehaut für eine Beurteilung ausreichend sichtbar ist. Die Untersuchung erfolgt einhändig, sodass die andere Hand frei bleibt, um ggf. Hilfsmittel wie eine Handspaltenlampe zu bedienen (Abb. 1).

7. Untersuchungsgeräte nutzen: Zu Beginn wird das Untersuchungsgerät (Lampe oder ein anderes Objekt) gezeigt, sodass das Pferd z. B. durch Beschnuppern/Berührung mit den Lippen Kontakt aufnehmen kann. Hierbei erfolgt noch keine Berührung des Auges mit der anderen Hand. Die Lampe wird nun auf Augenhöhe des Pferdes gehalten, so wie es für eine Untersuchung notwendig wäre ([Abb. 2]). Wird dies ohne Ausweich- und/oder Angstreaktion toleriert, können Zeigefinger und Daumen der anderen Hand hinzugenommen und auf Ober- und Unterlid des zu untersuchenden Auges aufgelegt werden.

8. Verlängerung der Untersuchungszeit: Bleibt das Pferd bei vorgehaltener Spaltlampe (o. ä. Objekt, s. u.) und mit am Auge positionierter Untersucherhand, die die Augenlider spreizt, entspannt stehen und wendet z. B. den Kopf nicht ab oder weicht zur Seite aus, kann die Untersuchungszeit verlängert werden.

9. Das Training kann um den Punkt „Einschalten einer Lichtquelle“ erweitert werden. Die Wahl der Lichtquelle sollte im Vorfeld mit der Tierärztin/dem Tierarzt abgesprochen werden, um Schädigungen der Retina durch zu starken Lichteinfall auszuschließen.

Grundsätzlich ist es hilfreich, auf der „Schokoladenseite“ des Pferdes mit dem Training zu starten. Es sollte aber prinzipiell immer die Untersuchung beider Augen trainiert werden, sodass diese in jeglichen Situationen ohne zusätzlichen Stress erfolgen kann. Während des gesamten Trainings sollte Körperkontakt in Form von Berührungen durch eine Hand bestehen, so können Anspannungen besser erkannt werden und Entspannung kann präziser belohnt werden.

Tipps

  • Das Training mit einer 2. Person und unter Verwendung eines Klickers ist (insbesondere zu Trainingsbeginn) einfacher und sicherer. Der Trainierende kann so am Tier den Klicker auslösen, während die 2. Person das Leckerchen gibt und gleichzeitig mit auf das Verhalten des Pferdes achten kann.
  • Sollte keine „Lampe“ zum Training zur Verfügung stehen, können alternativ auch andere, dem Pferd unbekannte Gegenstände, wie z. B. eine Taucherbrille oder eine Thermosflasche (Abb. 3), genutzt werden.

 

  • Selbstverständlich kann man das beschriebene Training auch nutzen, um das Einbringen einer Augensalbe zu trainieren.

Der Originalbeitrag zum Nachlesen:
Armbrecht Y, Elfers K. "Medical Training in der Pferdepraxis: Augen zu und durch?! – Die Augenuntersuchung" Pferdespiegel 2025; 28(01): 23 - 26. doi:10.1055/a-2441-9591

Yvonne Armbrecht ist Tierpflegemeisterin im Institut für Physiologie und Zellbiologie an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Sie hat einen Bachelorabschluss Professional of Animal Care and Management.

Kristin Elfers, PhD arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Physiologie und Zellbiologie an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover.

Der Originalartikel "Medical Training in der Pferdepraxis: Augen zu und durch?! – Die Augenuntersuchung" erschien im Pferdespiegel.