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„Unsere Praxis wurde verkauft und die angestellten Tierärzte wurden übernommen. Darf der neue Praxisbesitzer bestehende Arbeitsverträge zum Beispiel in Bezug auf Urlaubstage oder den Umgang mit Überstunden verändern oder können die Angestellten auf ihrem alten Arbeitsvertrag bestehen?“
Bei einem Praxiskauf bleiben die bisherigen arbeitsvertraglichen Modalitäten der Arbeitnehmer erhalten und gehen automatisch auf den neuen Arbeitgeber über. Dies geht aus der gesetzlichen Grundlage des § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hervor. Diese Vorschrift legt fest, dass bei einem Betriebsübergang der neue Betriebsinhaber „in die Rechte und Pflichten des bestehenden Arbeitsverhältnisses [eintritt]“. Für die Arbeitnehmer ändert sich somit lediglich der Vertragspartner. Diese haben weiterhin Anspruch auf die mit dem vormaligen Praxisinhaber ausgehandelten Konditionen der Arbeitsverhältnisse.
Mündliche Vereinbarungen
Sollten Arbeitsbedingungen bisher nur mündlich ausgehandelt worden sein, sollten diese zur Klarheit für den neuen Arbeitgeber schriftlich festgehalten werden. Aufgrund der Neuregelung des Nachweisgesetzes (NachwG) hat der Arbeitnehmer ohnehin einen Anspruch darauf, dass die Arbeitsbedingungen schriftlich festgehalten werden.
Resturlaub
Ebenfalls bestehende Resturlaubsansprüche gehen mit dem Betriebsübergang auf den neuen Arbeitgeber über. Hierbei sind jedoch die Verfallsfristen des Bundesurlaubsgesetzes (BurlG) zu beachten. Soweit der neue Arbeitgeber den Untergang des Urlaubsanspruchs nicht verschuldet und seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht verletzt hat, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz. Im Falle eines Schadensersatzanspruches des Arbeitnehmers entsteht ein neuer Ersatzurlaubsanspruch in Höhe des bisherigen Urlaubsanspruches. Dieser ist, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht, durch den neuen Arbeitgeber in natura zu gewähren.
Anpassungen des Arbeitsvertrags
Auch im Arbeitsrecht besteht der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Die Arbeitsverträge können daher – vor und nach dem Betriebsübergang – angepasst werden, wenn die Arbeitnehmer der Änderung zustimmen. Eine einseitige Änderung durch den bisherigen oder neuen Arbeitgeber ist jedoch nicht möglich. Eine solche Änderung wird in der Praxis durch einen Abänderungsvertrag zum bestehenden Arbeitsvertrag umgesetzt. Eine solche Abänderungsvereinbarung darf jedoch nicht als Bedingung für den Übergang des Arbeitsverhältnisses dargestellt werden. Dies würde sodann gegen die gesetzliche Regelung des § 613a BGB verstoßen und wäre somit insgesamt unzulässig.
Neueinstellungen
Zudem sind die bisherigen arbeitsvertraglichen Modalitäten der Arbeitnehmer bei Neueinstellungen zu beachten. Aufgrund des Arbeitnehmergleichbehandlungsgrundsatzes sind neuangestellten Arbeitnehmern die Bedingungen ebenfalls zu gewähren.
Kündigungen
Sollte der neue Praxisinhaber mit dem Gedanken spielen, die bisherigen Arbeitnehmer wegen der für ihn vermeintlich ungünstigen arbeitsvertraglichen Modalitäten zu kündigen, ist Vorsicht geboten. Denn eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist unwirksam (§ 613a Abs. 4 BGB). Jedoch ist eine Kündigung aus anderen Gründen als dem Betriebsübergang weiterhin möglich (§ 613a Abs. 4, S. 2 BGB). Dies ist z. B. bei entsprechender Umstrukturierung der Tierarztpraxis (betriebsbedingte Kündigung) möglich. Hier ist jedoch auf den Einzelfall abzustellen, ob eine solche Kündigung rechtmäßig ist. Verhaltens- und/oder personenbedingte Kündigungen sind jedenfalls weiterhin uneingeschränkt möglich.
Der Originalbeitrag zum Nachlesen:
Kranepuhl B. Bleiben Arbeitsverträge bei Praxisübernahme gültig?. kleintier konkret 2024; 27(06): 50 - 51. doi:10.1055/a-2415-4625
(IR)



